Die moderne jüdische Küche

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Leah König: Die moderne jüdische Küche

Verlagshaus Jacoby & Stuart

Preis: 22,– €

„Viele Kulturen, eine Küche!“

 Moderne jüdische Küche oder wie alles begann?

 Während der letzten zwei Jahrhunderte wurde die jüdische Küche in Amerika als ost- und mitteleuropäische Küche betrachtet. Wenn sie Amerikaner nach, sagen wir mal, fünf typischen Speisen der jüdischen Küche befragt hätten, wäre die Antwort mit Sicherheit wie folgt gewesen: Hühnersuppe mit Matzenknödeln, Gefilte Fisch, gehackte Hühnerleber, Pastrami und Bagels. Gerichte also, die unbestreitbar alle aschkenasischen Ursprungs sind.

In den letzten Jahrzehnten allerdings haben Gerichte in das jüdisch-amerikanische kulinarische Lexikon Einzug gehalten, die sich in der Levante (im weitesten Sinne Länder am östlichen Mittelmeer) und inzwischen auch besonders in Israel großer Beliebtheit erfreuen, dazu gehören Gerichte wie Schakschuka, Taboulé oder Hummus und vieles mehr. Weiterhin haben z. B. Kräutergewürzmischungen wie Zátar oder der geschmacksintensive Granatapfelsirup sich einen Platz neben Hühnerschmalz und Mohnsamen als typisch „jüdische“ Zutaten erobert.

Diese Entwicklung begann in den 70iger und 80iger Jahren als viele Amerikaner diese Köstlichkeiten des Orients aus dem Urlaub in Israel mitbrachten und wurde unterstützt durch Israels Importschlager überhaupt: den israelischen Köchen wie Ottolenghi in London und Einat Admony in New York oder Michael Solomonov in Philadelphia.

Wer ist die Autorin?  Leah Koenig, Schriftstellerin, Journalistin (die u.a. für die New York, Times, das Wall Street Journal und Saveur schreibt.), Expertin und neue Autorität für die moderne jüdische Küche in Amerika ist in einem jüdischen Haushalt aufgewachsen und hat schon immer zu den verschiedensten Gelegenheiten und Feiertagen die traditionellen jüdischen Speisen sehr genossen. Doch obwohl sie den Geschmack der Gerichte liebte, brachte ihr niemand bei, wie sie zubereitet werden, denn ihre „Bobbe“ (jiddisch für Großmutter) war schon lange vor ihrer Geburt verstorben.

Wie viele in ihrer Generation, ist sie am Herd eine „Spätberufene“ und bevor sie sich überhaupt mit der jüdischen Küche kulinarisch beschäftigt hat, probierte sie sich erst an allerlei amerikanischen Klassikern wie Makkaroni mit Käse, Wok-Gerichten oder Haferflocken-Rosinenkekse. Erst nachdem Leah ihren Mann kennenlernte und das Paar regelmäßig Freunde und Bekannte zu den jüdischen Festtagen in ihr New Yorker Apartment einluden, wurde es für sie wichtig, den Geschmack ihres jüdischen Erbes in die heimischen vier Wände zu holen und sie recherchierte und probierte die traditionellen Rezepte, bis die Gerichte so schmeckten, wie sie diese aus ihrer Familie kannte.

Im Laufe der Zeit, während sie all die neuen und traditionellen Rezepte zu kochen lernte, entstand mit ihrem wachsenden kulinarischen Selbstvertrauen noch ein anderes Gefühl, das der Freiheit, da sie nämlich keine Rezepte von zu Hause mitbekommen hatte, konnte sich Leah König ganz frei entfalten und improvisieren und Zutaten verwenden und miteinander vereinen, die nicht zur osteuropäisch-jüdischen Küche ihrer Vorfahren gehörten und so kochen, wie es sich für sie heute richtig anfühlt. Denn obwohl die amerikanisch-jüdische Küche auch noch heute sehr stark von der Tradition geprägt ist und es sehr viel um das Bewahren des kulinarischen Erbes der überwiegend aus Osteuropa eingewanderten Juden geht, gibt es inzwischen auch in den USA eine Welt jenseits von Bagels, Pastrami, Matzenknödel, Rinderbrust, Babka, Gänse- oder Hühnerschmalz, gehackter Hühnerleber oder Gefilte Fisch.

Was ist drin?  Los geht es mit einer kleinen Einleitung, die die unterschiedlichen Strömungen der jüdischen Kulturen erläutert, sowie ein paar Worten zur koscheren Küche. Das folgende „Kücheneinmaleins“, erspart Anfängern viel Mühe und Arbeit, weil es detailliert auf nützliche Gerätschaften eingeht.

 Anschießend folgen 150 Rezepte (allesamt koscher) aus den Rubriken „Frühstück“, „Salate und mehr“, „Suppen“, „Nudeln, Matzen, Körner und Bohnen“ Fisch, Huhn und Fleisch“, „vegetarische Hauptspeisen“, „Brote und Teigwaren“ „Plätzchen, Kuchen und andere Süßigkeiten“, „Füllungen und mehr“.

 Hier leben die spannenden Kreationen der „New Israeli Cuisine“ mit Einflüssen aus dem Irak, Marokko, Tunesien, dem Iran, Palästina, dem Libanon, dem Jemen oder Äthiopien, friedlich neben der klassischen osteuropäisch geprägten amerikanischen jüdischen Küche nebeneinander und befruchten sich gegenseitig.

 Dem geschickten Händchen der Autorin ist es zu verdanken, dass viele der klassischen Speisen sehr feinfühlig für den heutigen Geschmack modernisiert wurden und so ihren Ruf als langweilig und fade ablegen konnten.

 Ergänzt wird das Ganze mit einem Kapitel über jüdische Feste einem Zutaten- und allgemeinem Register.

 Die sehr ansprechende Food-Fotografie von Sang An bildet die Gerichte realitätsgetreu und authentisch ab und macht Lust aufs Nachkochen.

 Lieblingsrezepte:

 Karottensalat mit Minze und Datteln

Fatousch

unglaublich cremiger Hummus

20-Knoblauchzehen-Borschtsch

Chili von schwarzen Bohnen und Süßkartoffel

Wer soll angesprochen werden?  Das schöne Buch von Leah König zeigt auf eindrucksvolle Art, dass die jüdische Küche sich in den letzten 30 Jahren sehr geöffnet hat und nicht mehr nur die Aufgabe hat, die Traditionen aus der alten Heimat zu bewahren.

Die Autorin steht für eine junge Generation von amerikanischen Juden, die sich ihr jüdisch-kulinarische Erbe erst erkochen müssen, weil sie dieses oft in ihren Familien nicht mehr überliefert bekommen haben. Gleichzeitig sind diese aber auch um eine moderne jüdische Alltagsküche bemüht, die nach allen Seiten offen ist. Sie probiert ganz selbstverständlich arabische und neue heimische Produkte und Zutaten aus und interessiert sich im Schmelztiegel Israel für alle dort versammelten Küchen und deren Einflüsse.

Das Buch wendet sich somit an Menschen, die Lust auf eine spannende Entdeckungsreise quer durch die verschiedenen Kulturen haben und die gleichzeitig Wert darauf legen, mehr über jüdisches Leben und jüdisches Brauchtum zu erfahren.

Was ist besonders?  Die Autorin gibt zusätzlich einen Überblick über die faszinierende kulinarische Geschichte der Juden verschiedener Herkunft und stellt die jüdischen Feiertage sowie die dazugehörigen Festessen vor. Begeben sie sich mit ihr auf eine kulinarische und kulturelle Entdeckungsreise! Die Melange aus den Küchen Europas, Amerikas, Nordafrikas und der Levante sorgen für viel frischen Wind und aromatische Überraschungen und spiegeln die Multikulturalität der jüdischen Küche von heute wieder.

Ebenso sympathisch und authentisch schildert Leah König ihrem eigenen Weg vom Kochmuffel zu einer modernen leidenschaftlichen jüdischen Köchin!

 Fazit: Ein spannendes und sehr fundiertes Buch über die moderne jüdische Küche, das neben tollen Rezepten auch den historisch kulturellen Kontext herstellt!

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