
Kerstin Getto/Natalie Lumpp: Food, Love & Wine
Fotos: Daniela Haug/ Kerstin Getto
Die besten Rezepte zum Wein
Hölker Verlag
Preis: 24,95 €
Wer genießen kann, trinkt keinen Wein mehr, sondern kostet Geheimnisse (Salvador Dali)
Essen und Wein – eine Verbindung, die mehr kann!
Von Emmanuelle Macron weiß die Journaille zu berichten, dass er jeden Tag zwei Gläser Wein trinkt, eines zum Mittagessen und eines zum Abendessen, Donald Trumpp trinkt angeblich gar keinen Alkohol mehr auch bei Staatsbanketts soll er beim Wasser bleiben. Nun geht es hier nicht darum, zu hinterfragen, wie jemand zum Konsum von Alkohol steht, das ist jedermanns Privatsache! Franzosen und Italiener räumen dem Tischwein aber einen ganz anderen Stellenwert ein, als wir das z. B. in Deutschland üblicherweise tun: gutes Essen und Wein gehören für diese unbedingt zusammen, weil man dort nicht auf eine geglückte harmonische Verbindung verzichten möchte, die doch viel mehr sein kann als seine einzelnen Protagonisten: Was gibt es Schöneres, als zu einem mit viel Liebe gekochten Essen einen perfekt passenden Wein zu trinken? Im Idealfall gehen beide eine so harmonische Verbindung ein, dass sie geschmacklich über sich hinauswachsen und uns ganz andere Genusserlebnisse bescheren, als wenn wir unseren Wein nur in der Kneipe mit Freunden oder zum Wochenendausklang beim Tatort trinken. Hier ist in Deutschland noch viel Luft nach oben und auch die inzwischen wieder hervorragend dastehende und sehr ambitionierte Winzer-Szene von Rheingau, über Mosel, Pfalz und Co. hat es endlich verdient, dass ihren Produkten, die Wertschätzung widerfährt, die diese verdient haben.
Was ist drin?
Traut Euch, Winzer und Weinhändler beißen nicht……
Kerstin Getto kennt das Problem: In der Süd-Pfalz beheimatet, einen Steinwurf von Frankreich entfernt, gehörten Wein und Essen für sie schon immer zusammen: Aber wie erkennt man, welcher Wein wirklich zu ihrer köstlichen Lachs-Tarte oder zu ihrem Cassoulet mit Mergez am besten passt und den Genuss perfektioniert? Auch Kerstin hat sich früher nicht getraut, über Wein zu schreiben oder mit Experten zu fachsimpeln, sie war der Meinung, dass man dafür eine spezielle Ausbildung bräuchte, um nicht althergebrachte Regeln zu verletzen oder sich mit der eigenen Einschätzung zu blamieren.
2013 lernte sie den Winzer Christian Brendel bei einem Sommerfest kennen. Auf der Suche nach einem Wein, der zu dem lauen Sommerabend passte, war die Weinkarte nicht dazu geeignet, ihr hier die Hilfe und Unterstützung zu bieten, die der Winzer ihr lieferte, der ihre Misere erkannte, einen leckeren passenden Tropfen empfehlen konnte und sie nach einer netten Unterhaltung einlud, mit ihm ein Jahr in seinem Weinberg zu verbringen und ihn bei allen wichtigen Stationen der Weinherstellung zu begleiten.
Ein großes Glück, denn so kommen auch wir in den Genuss, zu erfahren, was die Herstellung eines leckeren Weins ausmacht. Wer sich damit beschäftigt, für den ist der Weg nicht mehr weit, sich selbst auf neues Terrain zu wagen und mutiger zu werden, jenseits dessen was der Supermarkt uns hier bieten kann, denn dort wird der Einheitsgeschmack bedient. Wer seinen Wein aber direkt beim Winzer verkostet, hat die Chance auf ein individuelles Produkt, dass nicht unbedingt billiger oder qualitativ besser sein muss, aber Charme und individuellen Ausdruck mitbringt, der uns anspornt und plötzlich sind wir mutig genug, auch komplexe Weine wie Chardonnay zu probieren und schätzen die regionalen Unterschiede, die es z. B. beim Riesling gibt. Ich selbst war schon immer Riesling-Fan, habe mich aber erst nachdem wir durch unser Wochenendhäuschen im Hunsrück regelmäßig die Weinfeste an der Mosel besuchen, in den Mosel-Riesling verliebt. Im Supermarkt wäre ich nie auf die Idee gekommen in dieses Regal zu greifen, zu präsent sind mir noch die Erinnerungen an die die Glykol versetzte Plörre der 70er und 80iger Jahre.
Wissen was im Glas ist, denn Probieren geht über Studieren?
Natalie Lumpp als Sommeliére und Weinexpertin hat bei diesem Buch den Part uns die unterschiedlichen Kategorien von leichten Weißweinen über kräftigere, leichten und kräftigereRotweine bis hin zu Rose-, Schaum- und Süßwein zu erklären, bevor es mit den leckeren und unkomplizierten Rezepten von Kerstin und ihrer ganz persönlichen Begleitempfehlung weiter geht. Das hilft bei der Auswahl des passenden Begleiters und bietet gleichzeitig einen guten Überblick über jede einzelne Kategorie. Sie tut dies locker mit großer Fachkompetenz und in einer Sprache, die jeder versteht. Barrieren schaffen ist nicht ihr Ding, sie will Mut machen, sich auf den eigenen Geschmack zu verlassen: Als Kerstin anfangs zusammen mit ihr bei einer Weinprobe noch leise eine Prognose wagte, dass sie glaube, im probierten Wein Aprikosen zu schmecken, ist ihre Antwort: „Kerstin, wenn Du Aprikose schmeckst, dann ist auch Aprikose drin!“ Natalie Lumpp‘s Credo ist, die Menschen dort abzuholen wo sie stehen, deshalb lässt sie bei ihren Weinseminaren die Teilnehmer erstmal an Kaffeebohnen, Paprika und Pfeffer riechen, das kennen alle. Verantwortlich für harmonische Verbindungen zwischen Essen und Wein sind ihrer Meinung nach Aromen, die im Idealfall perfekt zueinander passen. Diese Aromen werden uns durch unseren Geruchssinn zugänglich, der aber heutzutage ein wenig verkümmert ist, in unserer modernen Welt wird dieser kaum noch gebraucht. Die gute Nachricht ist jedoch, dass sich der Geruchssinn trainieren lässt. Der positive Effekt dabei, es macht Spaß, wenn man keine Angst hat, was falsch zu machen und der Geschmack entwickelt sich häufig im Laufe der Jahre weiter. Natalie hat beobachtet, dass viele von uns beim Rotwein am Anfang gerne zu den mächtigen oder samtigen Vertreter dieses Genres greifen, um sich dann später zu den feineren und eleganten Rotweinen hinzuarbeiten oder sich auch komplexere Weine mit Ecken und Kanten suchen.
Und was gibt es dazu?
Es wird authentisch, unaufgeregt und regional gekocht!
Diese Autorin bleibt als Pfälzerin mit großer Nähe zu Frankreich authentisch, unaufgeregt, regional und serviert zu leichten Weißweinen eine leckere Lachstarte mit grünem Spargel oder einen Feldsalat mit karamellisierten Ziegenkäse auf Apfel-Traminer Relish. Es gibt außerdem als Reminiszenz an den Nachbarn Frankreich Miesmuscheln mit Pommes frites, Crepe Madame oder Clafoutis mit Pfifferlingen. Wer es deftig liebt, ist sicherlich auch mit dem Elsässer Wurstsalat mit Bratkartoffeln selig, für mich jedenfalls eine tolle Option, den es zeigt, Wein hebt auch die Alltagsklassiker.
Ausflüge in Nachbars Küche sind erlaubt und erwünscht!
Bei den kräftigeren Weißweinen ergeben sich harmonische Beziehungen zu Münsterkäse-Flammkuchen mit Spinat und auch die unprätentiöse französische Zwiebelsuppe begeistert mich in diesem Kapitel genauso wie die Boullabaisse „en Papillote“ oder die Kartoffelcremesuppe mit karamellisierten Apfelscheiben und Blutwurstcroutons. Ein Gedicht war auch das Cassoulet mit Merguez, lange nicht mehr so gut gegessen war der Kommentar unserer Gäste! Die Würstchen vom marokkanischen Metzgern meines Vertrauens in Frankfurt und die Empfehlung unseres Weinhändlers für einen kräftigen Wein aus dem Languedoc, wie von Natalie vorgeschlagen, das nenn ich eine gelungene Verbindung!
Diese Köchin kennt zum Glück ihre Zielgruppe ganz genau und wagt gerne mal was Neues!
Kerstins Rezepte zu leichtem Rotwein in Form von Salat mit Ziegenfrischkäse und Balsamico-Kirschen und Ziegenkäsetaschen mit Erdbeer-Pfeffer-Chutney sprühen vor Kreativität, ohne überkandidelt oder schwer zum Nachkochen zu werden. Diese Köchin hat den Vorteil, dass sie als erfahrene Bloggerin ihre Zielgruppe immer im Blick hat, dies können Profiköche häufig nicht von sich sagen. Ihre Croustardes „Nicoise“ mit Thunfisch erinnern an den „Salade Nicoise“ sind aber viel spannender und wagen wieder mal was Neues ohne dem Leser zu viel Komplexität oder Rennerei bei der Zutatenbeschaffung zumuten.
Das Warten hat sich gelohnt, am Ende noch mal das volle Programm!
Auch beim Nachtisch bleibt diese Frau ihren Maximen treu, die Apfelbeignets mit beschwipsten Erdbeeren sind sowohl dem Pfälzer als auch dem Franzosen vertraut und kommen ohne viele Umwege z. B. mit einem Crémant Rose aus Frankreich direkt nach 40 Minuten auf den Tisch. Die Cantaloupe Melone mit Winzersekt und Estragon ist eine spannende Erfrischung an einem heißen Sommertag und wer kann schon dem Grieß-Vanille-Eis mit Rotweinzwetschgen widerstehen?
Fazit: Das Buch von Kerstin Getto und Natalie Lumpp zeigt auf überzeugende Weise, wie man gekonnt köstliche Verbindungen zwischen Wein und den servierten Speisen nicht nur herstellen kann, sondern sich beides durch das Zusammenwirken noch steigern lässt, das freut nicht nur die Weinschaffenden, sondern auch Genießer, gerne auch Anfänger, die bisher gedacht haben, Weinauswahl ist nur was für Experten. Natürlich bedarf es einer richtigen Einführung und wir wollen ermuntert werden, auf unseren Geschmack zu vertrauen. Natalie Lumpp verfügt nicht nur über Expertenwissen, sondern kann es auch kompetent und locker an die Kundschaft bringen. Glücklicherweise werden die Produzenten in diesem schönen Buch nicht ausgeklammert, denn Weine werden nicht nur im Supermarkt verkauft und wer weiß, wieviel Engagement und Leidenschaft bei deren Herstellung von Nöten ist, wenn man sich dem Geschmack verpflichtet fühlt, wird eher bereit sein, für eine Flasche Wein auch mal eine Mark mehr zu investieren! Was im Supermarkt unter 5 € kostet ist kaum dazu angetan, diese Arbeit zu würdigen und vor allem Individualität zu fördern, die Weingenuss erst zum besonderen Erlebnis macht. Kerstin Getto liefert klasse Rezepte mit denen sie zeigt, was ihr wichtig ist, authentisch, unaufgeregt und regional soll es sein und die Kreativität bleibt auch nicht auf der Strecke, trotzdem kann alles auch bei uns zu Hause problemlos nachgekocht werden. Ihre Rezepte passen perfekt zur Zielrichtung des Buches, es braucht keine große Expertise um zu genießen, Liebe zum Detail, ein wenig Muße und vor allem Neugier und eine authentische Herangehensweise reichen schon, um den persönlichen Genuss beim Essen und Wein noch zu steigern. Danke Euch, die beste Werbung, die man für dieses Kulturgut machen kann, weil es ehrlich gemeint ist und Eure Leidenschaft dafür widerspiegelt, denn Wein allein ist nur die halbe Miete, besser gleich was Leckeres dazu.
Herzlichen Dank für die Übersendung eines Rezensionsexemplares.