Yotam Ottolenghi, Helen Goh: Sweet

Yotam Ottolenghi, Helen Goh: Sweet

Süße Köstlichkeiten

Verlag Dorling Kindersley

Preis: 26,95 €

Ein Buch mit Alleinstellungsmerkmal – Perfektion at it’s best!

 Süß war er schon immer, er ist nur erstmal bei den Vegetarier abgebogen….

 Was vermutlich nur die wenigsten wussten, Yotam Ottolenghi ist von Haus aus Pâtissier, erst danach hat er eine Ausbildung zum Koch absolviert. Aufgewachsen in Jerusalem, lebt er heute mit Mann und zwei Kindern in London, wo er mehrere Restaurants betreibt. Helen Goh, die in Malaysia geboren wurde, in Australien aufwuchs, ist inzwischen nicht nur höchst erfolgreiche Patissière und geschätzte Mitarbeiterin und Co-Autorin, sondern auch ausgebildete Therapeutin und heute bei Ottolenghi für die Produktentwicklung bei den süßen Sachen zuständig. Die beiden eint sehr viel, eine akademische Laufbahn wurde gegen eine Karriere am Herd und in der Backstube getauscht, eine Kindheit, die von vielfältigen kulinarischen Aromen geprägt wurde und inzwischen sind beide Eltern von Kinder geworden und damit hat sich nicht nur viel im Leben der beiden geändert, sondern gesunder Genuss wird von beiden heute mit ganz anderen Augen gesehen und es darf gerne auch mal gesünder zugehen, wenn der Geschmack nicht leidet.

Mehr über die Motivation der beiden…

Man muss sich Zeit nehmen für dieses Intwerview, aber mir hat es Spaß gemacht, es zeigt soviel, was die beiden Protagonisten treibt bei diesem Buch.

 

 Was ist drin?

 

Ohne aromatische Überraschung läuft es auch an der Kaffeetafel nicht!

 In „Sweet“ dreht sich alles um die süße Küche mit 120 Rezepten für Cookies, (Mini-)Kuchen, Cheesecakes, Puddings, Cremes, Konfekt und Tartes wird wie immer bei Ottolenghi aromatisch viel geboten, wie z. B. Pistazien- und Sauerkirschwaffeln, Persische Liebesküchlein, Grappa-Frucht-Kuchen, Cheesecake mit Amaretto und weißer Schokolade, Walnusstarte mit Karamell-Salbei, Zitronen-Joghurt-Eis mit Wacholder und Safran-Pistazien-Krokant, was mein Herz als abenteuerlustiger Fusion-Fan höher schlagen lässt. Dabei haben sich die beiden Autoren von süßen Köstlichkeiten aus der ganzen Welt inspirieren lassen. Wo Ottolenghi drauf steht, da sind immer Überraschung und viel Aroma dabei, diesmal in süßer Variante in Form von Feigen und Rosenblüten, Pistazien und Sternanis, Orangenblüten und Mandeln und vielen mehr. Ohne aromatische Überraschung läuft bei ihm nichts, dies ist inzwischen zu seinem Markenzeichen geworden und wird auch in diesem Buch großartig inszeniert. Helen Goh, deren Feder, die meisten dieser beeindrucken Kreationen entstammen, hat aber auch amerikanische und europäische Backtraditionen umfassend studiert und wartet ebenso mit Cheesecakes, Cupcakes, Madeleines und Scones auf.

Essen muss man, backen kann man – oder auf der Suche nach dem perfektem Backwerk…..

Um es vorweg zu nehmen, ich weiß sehr wohl, dass gängige Rollenklischees nicht mehr zeitgemäß sind, mir ist bekannt, dass heutzutage sowohl Frauen als auch Männer backen. Leider sind die Frauen häufig für den Sonntagskaffee-Kuchen zuständig und viele Männer sind auch heute noch im Profi-Bereich zahlenmäßig überlegen. Nun um Emanzipation geht es jetzt aber nicht, sondern darum, warum wir es beim Backen gerne mal mehr krachen lassen, als in der Feierabendküche. Es liegt auf der Hand, das eine ist Alltag, dass andere ist Leidenschaft, Muße und Genuss, wenn es nicht mehr nur darum geht, dass der Sonntagskuchen, nur schnell noch fertig werden soll, bevor die Schwiegermutter anrauscht – oder die Familie murrt, wann es denn endlich los gehen kann. Dies war ein Problem mit der die Generation unserer Mütter noch fertig werden musste, heute gehen wir dann halt in die Konditorei oder werfen einen Blick in die Convenience-Abteilung unseres Supermarktes. Diese Zeiterscheinung, macht den Weg frei, für ein völlig neues Verständnis, nach dem Motto „Wenn schon denn schon!“ Und genau darum geht es bei „Sweet“ von Helen Goh und Yotam Ottolenghi.

Er weiß was er uns schuldig ist – oder das Optimum ist das Ziel….

Es geht um überraschende Gaumenerlebnisse, Rezepte für süßes und damit sind selbstverständlich auch Desserts gemeint, aber auch um Perfektion. Ottolenghi hat einen Ruf zu verteidigen, er als Nicht-Vegetarier hat wie kein anderer die vegetarische Küche revolutioniert. Mag es damals noch Zufall gewesen sein, als er an eine vegetarische Kolumne im Guardian geriet, ohne selbst Vegetarier zu sein, er hat diese Aufgabe mit Bravour gemeistert und gilt heute als Papst einer kulinarischen Bewegung, die ohne ihn nicht vorstellbar gewesen wäre.

Wenn also Ottolenghi sich wieder auf Süßes besinnt, dann muss es besonders werden, ohne den Anspruch, dass ein solches Buch auch in 10 Jahren noch Gültigkeit hat und Maßstäbe setzt, wäre er vermutlich gar nicht angetreten. Mit Helen Goh hat er eine Co-Autorin an seiner Seite, die für das selbe steht: Yotams Mann, Karl, kann ein Lied davon singen, wenn Helen regelmäßig sonntags mit jeder Menge Schachteln und Dosen beladen vor der Türe stand, in der ihre Probierstücke verstaut waren und bei deren gemeinsamen Verkostung über all die Makel berichtet wurde, die diese ihrer Meinung nach noch hatten, die aber außer ihr so schnell keiner feststellen konnte. Diese Lady will es wissen und hat immer das Optimum im Auge, halbe Sachen macht sie nicht.

Alle Rezepte sind entweder in diesen gemeinsamen Sonntags-Sessions oder bei regelmäßigen Treffen in der Ottolenghi eigenen Versuchsküche entstanden und das Ergebnis von höchst akribischer Arbeit und regelmäßigen Meetings unter Profis, in denen hier und dort geschraubt wurde, bis die Ergebnisse so perfekt wie möglich wurden. Die Väter dieser Ideen sind vielfältig und werden bei den einleitenden Texten entsprechend gewürdigt. Jedes Rezept wird mit Tipps und Varianten geliefert und da geht es bei weitem nicht nur um einen Tipp, sondern auch schon mal um 2 – 3. Im Praxisteil wird das sogar noch gesteigert und vieles noch mal ausführlicher behandelt. Nicht der Grundkurs ist bei diesem Buch das angestrebte Ergebnis, sondern in den Augen dieses Teams gibt es keine Limits, wenn man etwas noch besser machen kann, dann macht man das halt, notfalls auch häufiger. So wird z. B. Ananas-Püree zur Geschmacksintensivierung grundsätzlich erhitzt, denn ein mehr an Menge ist beim Backen keine Option, dann würde der Teig zu flüssig werden, außerdem wird durch das Erhitzen, dass Enzym Bromelain zerstört, weil es mit den Gluten im Mehl reagiert und das Aufgehen des Kuchens behindern würde. Das Ziel aller Rezepte ist auf das optimale Ergebnis fokussiert, dafür ist viel Zeit nötig und man hat sich für das Buch drei Jahre Zeit gelassen, davon träumen viele Koch- und Backbuch-Schnellschüsse. In diesem Buch wurde alles genauestens unter die Lupe genommen und hinterfragt, ist Butter oder Öl für den Teig die perfekte Lösung und nur so kann ein Buch entstehen, dass nicht nur wegweißend sein will, sondern auch ist. Dass dabei selbstverständlich auch einem veränderter Zeitgeschmack und Unverträglichkeiten Rechnung getragen wird, versteht sich von selbst, Zucker-Koller war gestern und es gibt inzwischen viele Menschen, die Gluten einfach nicht mehr sehr gut vertragen.

Fazit oder für wen ist das was? Für mich ist es ein wegweißendes Buch, das für mich auch in 10 Jahren noch genauso aktuell sein wird wie jetzt und gekonnt die verschiedenen Herausforderungen nach kulinarischem Twist und Abenteuer bedient und auch auf Unverträglichkeiten und veränderten Zeitgeschmack vortrefflich eingeht. Hier haben zwei nach perfekten Zutaten, Zubereitungstechniken und Ergebnissen gesucht und alles umfassend erläutert und in zwei Buchdeckel gepackt. Es ist ein Buch, das universelle Geschmäcker bedienen möchte, die überall funktionieren, das bedeutet andere Produktwelten, nicht nur bei den Zutaten, sondern auch beim Equipment wie Backformen und Co. Heute ist das kein Problem mehr, denn es gibt entsprechend viel Information im Netz, wie man Zutaten auf handelsübliche Backformen-Größen umrechnet, wenn die Autoren keine Alternativen anbieten, doch das tun sie sehr oft. Ich würde es nicht vordergründig als Alltags- oder Familien-Buch für Süßes sehen, denn Backen und oder die Lust am süßen Genuss und dazu gehören heute genauso Desserts wird hier als Hobby angesehen. Was es auch ist, die Familie kriegen wir abends trotzdem satt. Mir hat es unglaublich gut gefallen, auch wenn ich am Anfang regelrecht erschlagen war, von der ganzen Fülle die es an Rezepten und Informationen bietet. Ich bin dankbar dafür, denn häufig fehlt mir was bei Büchern und Rezepten, die ich für eine Rezension genauer unter die Lupe nehme, hier werde ich bei Dr. Google definitiv nicht schlauer werden! Backen kann ein kniffliges Thema sein, wenn man sich nicht auf versierte und engagierte Autoren verlassen kann, dafür steht dieses Buch wie kaum ein anderes ein.

6 Gedanken zu “Yotam Ottolenghi, Helen Goh: Sweet

  1. Ich liebe Ottolenghis Rezepte und dieses Buch steht noch ganz oben auf meiner Wunschliste! Ich bin gespannt auf das Rezept, was du uns noch vorstellen wirst.
    Viele Grüße, Becky

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    1. Danke, Dein Wunsch ist ja Programm hier, es werden wie immer 3 Rezepte. Eines eher einfach, die beiden weiteren sind komplexer, aber so lecker! Mir gefällt das Buch sehr, weil es wirklich nach Perfektion für das Ergebnis sucht, man braucht aber keine spezielle Expertise, sondern nur Zeit.

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  2. Ich liebe ja Ottolenghi, bin aber keine Süße. Entsprechend wollte ich mich um dieses Buch eigentlich drücken. Aber jetzt bin ich doch am Überlegen…..

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    1. Liebe Susanne,

      ich verstehe Dich sehr gut, süßes spielt bei mir nur die zweite Geige. Ich habe ungeheuren Respekt, vor Bloggern, die die tollsten Torten auch visuell in Szene setzen. Auf dieses Buch bezogen, habe ich unbedingt, reinschauen wollen und es dann erstmal in die Ecke gelegt, die Latte schien mir zu hoch, zu perfekt, nicht von den Rezepten, aber wie da am Ergebnis gearbeitet wurde, dass legen die Autoren in jedem Rezept sehr offen. Aber wir wollen das eigentlich nicht, wir lieben viel Aroma und New-Comer. In diesem Buch wird nichts dem Zufall überlassen, aber können Profis mit einer Karriere, die ihnen Innovation bereits hinreichend attestiert hat, noch wie naive Novizen agieren und trotzdem glaubwürdig bleiben. Das geht nicht finde ich und dass wird auch eingefordert, wenn jemand schon einige Bücher veröffentlicht hat, sonst schwebt über ihm immer das Damokles-Schwert, er nutzt den Windschatten eines erfolgreichen Buches um noch mal nachzulegen.
      Deshalb versuchen die beiden bei jedem Rezept zu beweisen, sie wissen wie es geht, die Optik und die Auswahl der Rezepte sind da eine Sache, aber dass ist es nicht, was mich nach langer Pause wieder an das Buch herangeführt hat, es ist wirklich so, dass sie belegen fast jeden nur möglichen Aspekt bedacht zu haben und jeden Tipp für Laien geben, die diese an das perfekte Ergebnis heranführen und ein Buch für süße Sünden von heute machen wollten. Das gab bei mir den Ausschlag, das ich der Meinung war, das ist ein wegweisendes Buch ist, denn sie wenden sich nicht an Profis unter den Lesern. Büchern von Konditoren merkt man an, dass für diese vieles selbstverständlich ist, das geschieht hier nicht. Wer das nicht will – oder sich die Zeit nicht nehmen will, hat jedes Recht zu sagen, dass das für ihn nichts ist, es geht ums Optimum bei den Rezepten, da kann es sich auch um ganz normale Rezepturen handeln, die auch keinen Anfänger allein lassen, die beiden haben das ernst genommen und versucht zu erfüllen, das hat mich letztendlich überzeigt.

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