Nargisse Benkabbou: Casablanca

Nargisse Benkabbou: Casablanca

Fotos: Matt Russel

Südwest Verlag

Preis: 25,– €

Marokkanische Küche mit Twist und Augenmaß!

 Worum geht’s?

Marokkanische Küche erfreut sich einer immer größeren Beliebtheit und ist endlich bei vielen Gerne-Essern angekommen. Alljährlich veröffentlicht Pinterest seine Top 100 aus verschiedenen Bereichen, so auch bei Food. Und hier zeigte sich in den letzten Jahren ein stetig wachsendes Interesse an marokkanischen Rezepten und Essen unter den Usern. Nicht nur Kenner der maghrebinischen Küche wissen heute, dass eine Tajine – ein traditionelles Kochgefäß aus Lehm ist, in dem die würzigen und traditionellen Eintöpfe geschmort werden und zum „backbone“ dieser Küche gehören. Die traditionelle Küche Marokkos birgt jedoch für interessierte Newcomer auch Tücken, die erst gemeistert werden müssen, wenn man in 2019 durchgängig Spaß mit ihr haben möchte. Vieles, wie z. B. eine Haria, das ist eine Fastensuppe, die im Ramadan-Monat in nahezu jedem marokkanischen Haushalt auf den Tisch kommt, kann durchaus ein bisschen modernes Geschmacks-Tuning vertragen…. Für alltagstaugliche Tipps bei der Umsetzung der häufig sehr traditionellen Speisen, sind viele „Nachkocher“ sowieso extrem dankbar! Genau darum geht es der in Brüssel aufgewachsene Nargisse Benkabbou. Sie hat sich vorgenommen die Küche ihrer Eltern ein wenig unkomplizierter, leichter und würziger zu gestalten. My Moroccan Food ist der Name ihres Blogs auf dem sie uns in ihre Küche in London mitnimmt. Wie easy das funktioniert und wie lecker das schmeckt, wenn man die kulinarischen Traditionen der Berber und Nomaden einfach ein bisschen entstaubt, zeigen alle Rezepte im Buch ziemlich schnell schon beim Durchblättern dieses Kochbuchs war ich schon sehr angetan. Für ihr wunderbares Kochbuch hat sie den Namen Casablanca gewählt, weil in Casablanca, der großen marokkanischen Hafenstadt am Atlantik, sich symbolisch Tradition und Moderne begegnen und daraus immer etwas Neues und Eigenständiges wieder erwächst und das liegt ebenfalls Nargisse mit ihren neu entwickelten marokkanischen Rezepten sehr am Herzen.

Wer ist die Autorin?

 

 Nargisse Benkabbou wuchs in Brüssel in einer stark kochbegeisterten Familie auf, die ihre marokkanischen Wurzeln kontinuierlich förderte. Nachdem sie in Brüssel und Paris gelebt hatte, zog Nargisse vor einigen Jahren nach London, wo sie nach ihrem Politik-Studium eine Ausbildung an der Leiths School of Food and Wine absolvierte. Sie fing außerdem an zu bloggen und begann ihre maghrebinischen Rezepte  -“ immer mit dem gewissen Etwas“ – zu teilen. Heute befasst sie sich mit Rezeptentwicklung, Food-Fotografie, Kochkursen und manchmal darf es auch ein Auftritt als Gastköchin sein. Nargisse Benkabbou hat ein starkes Gespür für die traditionelle marokkanische Küche, ihr Ziel ist es jedoch, die marokkanische Küche weiterzuentwickeln und frischen Wind hineinzubringen.

Richtig anfangen, heißt bei den Grundzutaten ist der Supermarkt nicht der richtige Partner!

Ich lebe inzwischen seit ca. 28 Jahren in Frankfurt und gehe seit mehr als 15 Jahren ausgesprochen gerne beim marokkanischen Gemüsehändler mit angeschlossener eigener Fleischerei und Fischtheke am Wochenende regelmäßig einkaufen. Diese Händler stehen für frisches Gemüse und würzige Kräuter und das zu Preisen, von denen der Supermarkt nur träumt! Geschweige denn, dass es mir gefällt, wenn alles in Plastik verpackt in meinen Einkaufswagen wandert. Nein, ich möchte schon beim Einkaufen mit allen Sinnen beteiligt sein und nicht den Duft der frischen Minze durch eine Lage Plastik erahnen. An der Fleischtheke lasse ich mich gerne beraten und der versierte Metzger erfüllt mir ohne mit derr Wimper zu zucken, ebenfalls gerne meinen Wunsch nach frisch für mich durchgedrehtem Hackfleisch. Es klingt wie im Paradies wäre es auch, wenn nicht in manchen Regalen ebenfalls Dinge stehen, die ich einfach nicht mehr in mein Einkaufskörbchen lasse! Harissa die beliebte Würzpaste, schmeckt mir industriell gefertigt gar nicht, auch nicht wenn sie aus Marokko importiert wurde, außer Essig und scharf gibt es bei diesen Kreationen nämlich nicht viel zu entdecken.

Ebenso ergeht es mir mit gemahlenen Gewürzmischungen, die nach dem ersten Gebrauch ein tristes Dasein in meinem Gewürzschrank fristen, bis sie das nächste Mal wieder zum Einsatz kommen. Keine marokkanische Hausfrau käme auf die Idee, sowas nicht selbst frisch zu mahlen… Eine ausgediente elektrische Kaffeemühle kann dabei zur Wunderwaffe werden!

Sogar ein Rezept für die in Großbritannien so beliebte Variante eines Rosen-Harissa in Top-Qualität wird aufgeboten, das sucht man nämlich bei uns im Handel vergeblich!

Und wer schon einmal Salzzitronen im Plastikeimer gekauft hat und die bietet bei uns in Frankfurt ebenso der sonst so auf Qualität bedachte Händler in der Frankfurter Kleinmarkthalle genauso so an, der versteht, warum ich dann stets dankend ablehne. Die erste Fuhre davon landete nämlich direkt und ohne Umwege nach dem ersten Öffnen in unserem Mülleimer! Wenn etwas so scheußlich riecht und noch fürchterlicher schmeckt, kommt das bei mir nicht in mein Essen!

Wenn eine Kochbuch-Autorin, alle abholt und die Menschen mit alltagstauglichen Rezepten für Harissa Co, versorgt, hat mich ein solches Buch voll und ganz auf seiner Seite, denn da denken auch die von mir hochgeschätzten Köche eines Food-Magazins nicht immer daran, dass man am besten so anfängt und bei tragenden geschmacklichen Bestandteilen eines Rezeptes die Qualität dieser Zutaten nicht dem Zufall überlässt. So kann man nämlich die leckerste Kreation im besten Fall beliebig machen und im schlechtesten Fall zum kulinarischen Desaster degradieren.

My mother’s kitchen is great, but times changed!

 Die Londoner Bloggerin ist immer mit  erstaunlichem Augenmaß unterwegs und räumt erstmal mit einigen Missverständnissen auf:  In Marokko wird unter dem Begriff „Couscous“ nicht der grobe Weizengrieß verstanden, sondern das komplette Gericht, bei dem Fleisch und Gemüse in einer schmackhaften Brühe gekocht wird, um es anschließend auf einem Bett aus gedämpften Weizengrieß (außerhalb Nordafrikas ebenfalls als Couscous bezeichnet) zu servieren.  Ihr  Rezept für Casablanca-Couscous, ein Paradegericht der traditionellen marokkanischen Küche, wird mit vielen Tipps zum guten Gelingen an die Interessenten gebracht. Die leidenschaftliche Genießerin mit marokkanischen Wurzeln hat viel zu sagen, wenn es um die Küche der Heimat ihrer Eltern geht. Schon als kleines Mädchen tat sie nichts lieber, als mit ihrer Mutter in der Küche zu stehen.

Ihr ausgesprochenes Faible für traditionelle Rezepte und Zubereitungsmethoden ist ebenfalls sehr evident und wird mit Rezepten für Mamas Khilii (Trockenfleisch), Großvaters Mechoui (traditionelles Lammgericht) mit einer Joghurt-Minze-Sauce oder Mamas Haria (Fasten-Suppe) köstlich bewiesen.

Mit Florentiner-Eiern mit Harissa-Hollandaise oder Merguez-Burgern mit Zitronen-Guacamole weist sie zudem der marokkanischen Küche einen neuen Weg, raus aus der tradierten Ecke direkt in die hippen Cafes von Europa, die Fusion zu ihrem Prinzip erkoren haben.

Würden nicht diese beiden sehr unterschiedlichen Bemühungen direkt aus dem Buch zu mir sprechen, wäre ich sicherlich schnell weiter gewesen! Fusion ist ein alter Hut und das eine Küche sich auch immer weiter entwickelt sowieso, auch wenn es sich um eine sehr traditionelle wie die marokkanische Küche handelt.  Aber Tradition und Moderne geschickt und alltagstauglich und vor allem lecker in einem Kochbuch nebeneinander stehen zu lassen zeigt mir, hier wollte eine Autorin nicht nur beliebig sein, sondern hat ein echtes Anliegen mit viel Wissen und Engagement verfolgt, um uns für die Küche ihrer Heimat zu begeistern.

Probiert & verputzt:

Karotten-Oliven-Salat von Madame Wouezna

© Matt Russel

Wunderschön anzuschauen und sehr lecker- alles harmoniert wie ein perfekt aufeinander eingespieltes Orchester!

 

 

 

 

 

Kabeljau mit Chermoula-Kruste

© Matt Russel

Eine sehr einfache Art, den Fisch-Genuss auf marokkanisch zu trimmen, der auch die Gäste am Tisch begeistern konnte.

 

 

 

 

 

Mandelzigarren mit Honigglasur

© Matt Russel

Wunderbar, mit diesem tollen und unkomplizierten Rezept ist der türkische Bäcker meines Vertrauens und sein Baklawa draußen! Wenn ich gewusst hätte, wie einfach man sowas selber machen kann, ich hätte es eher gewagt.

 

 

 

 

Fazit – oder alles richtig gemacht!

 Ich weiß wirklich nicht mehr wie viele Länder-Kochbücher ich in den letzten 3 Jahren in der Hand hielt, in denen mir die Autoren stets versprachen, es wird einfacher, aber immer mindestens so lecker wie das Original. Manche haben das sogar recht ordentlich hinbekommen, andere haben es sich dabei jedoch sehr einfach gemacht und fertige Würzpasten eingesetzt. Voll mit Konservierungsstoffen und häufig eklig vorschmeckend oder mit einer  Essig-Note (wie beim Harissa), die mir immer viel zu dominant daher kam.

Nargisse Benkabbou zeigt sehr viel Fingerspitzengefühl und serviert beileibe nicht nur Burger, die auf marokkanisch getrimmt wurden. Das können viele, aber die Interessenten von Anfang an abzuholen und sie mit Rezepten für qualitativ hochwertige Grundprodukte von eingelegten Zitronen, über typische Würzmischungen, bis hin zu wirklich leckeren Harissa-Varianten zu versorgen, eben nicht!

Dazu muss man tief in einer kulinarischen Tradition verwurzelt sein und mit mit viel Leidenschaft und vor allem mit echtem Konzept und viel Expertise unterwegs sein!

Dieses wunderschöne Kochbuch kann man mit Fug und Recht, als sehr gelungenes modernes marokkanisches Kochbuch bezeichnen. Wir sollten aber dabei nicht verkennen, dass die Autorin ebenfalls sehr bemüht war, die Klassiker aus der Küche ihrer Mutter und Großmütter weiterzuentwickeln, so dass diese Gerichte auch in 2019 bei uns zu Hause gelingen und uns vor allem ebenso gut schmecken. Hier passt alles perfekt zusammen, deshalb ist dieses Kochbuch für mich ein außergewöhnliches marokkanisches Kochbuch, für alle die es lecker und alltagstauglich mögen!

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4 Gedanken zu “Nargisse Benkabbou: Casablanca

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