Antje de Vries: Abenteuer Geschmack
Fotos: Vivi D’Angelo
Preis: 29,99 €
The science of Geschmack für alle und ungeheuer lecker!
Wer kocht?

Die Leidenschaft fürs Kochen mit guten Produkten, die Neugier an fremden Kulturen und die große Freude daran, Menschen mit Essen zu erreichen und zu verbinden sind das Lebensmotiv von Antje de Vries. Seit fünf Jahren reist sie als Beraterin für gastronomische Konzepte, Culinary Trend Scout und Köchin durch die Welt – ohne festen Wohnsitz, mit leichtem Gepäck und offenen Augen. Dabei macht sie, woran sie Spaß hat: immer wieder Neues entdecken und ausprobieren, mit spannenden Leuten und faszinierenden Produkten arbeiten und gemeinsam eine Mission verfolgen – connecting people through food!
Was ist drin?
Wieso, weshalb warum – wer nicht fragt bleibt dumm….
Die wissenschaftlichen Hintergründe werden kurz und präzise auf den Punkt gebracht und von Fotos begleitet, die äußerst ästhetisch und eindrucksvoll die Quer-Verbindung aufzeigen, gleichzeitig jedoch den Pioniergeist der Nachkocher nicht mit zu viel Background erschlagen. Beim Thema Food-Pairing nicht unwesentlich, es gibt inzwischen viel Literatur dazu, aber entweder man gräbt sich ellenlang durch Theorie und Tabellen oder es wird halbherzig und langweilig gemacht. Bei Abenteuer Geschmack habe ich das erste Mal das Gefühl hier hat man die Chance genutzt, Rezepte und alle Stilmittel wie Layout und Fotos aufeinander abzustimmen. Das machte für mich den Reiz aus, einfach weiter zu blättern. Thematisch gibt es zum Thema Aroma-Kombinationen schon das eine oder andere in meinem Kochbuch-Regal. Aber hey so ansprechend und modern, hat mir noch nie jemand versucht das Thema zu vermitteln. Ich bin empfänglich nicht nur für gute Recherche, sondern auch für die perfekte Inszenierung dahinter, die da bin ich sicher, in unserer heute so visuell gesteuerten Welt, sehr viel mehr Menschen hinter ihren Bildschirmen und Smartphones hervor holt als das geschriebene Wort oder die umfänglich recherchierte und belegte These. Viele Wege führen also nach Rom und mich in die Küche. Der gewählte Eye-Catcher des Covers und die Aufmachung dieses Kochbuches ist ebenso ästhetisch wie verlockend.
»Was der Bauer nicht kennt, das (fr)isst er nicht«
Im Praxisteil geht es nach 43 Seiten Einführung, die mehr auf praktisch nachvollziehbare Erfahrungen und Beobachtungen als Wissenschaft setzen, mit Geschmacks-(Steckbrief)-Insight für Bohnen, Erbsen Fenchel, Aubergine, Paprika, Pilzen und Spargel & Co weiter und bei den anschließend präsentierten ansprechenden Rezepten mit viel Twist sind jetzt endlich alle eingeladen, neue kulinarische Erfahrungen und Abenteuer zu erleben.
Ob roh, gekocht, gebraten aus den jeweiligen Protagonisten holt Antje de Vries immer das Beste heraus und das zum Glück häufig ohne komplizierte Techniken oder langwierige Arbeitsschritte.
»mit anderen Bauern in die Töpfe und über den Tellerrand zu schauen«
z. B. mit minzigem Erbspüree mit Jakobsmuscheln und brauner Limettenbutter. Erinnert mit seiner feinen Note überhaupt nicht an das in englischen Pubs so gerne zu Fish &Chips servierte eher derbe Erbsen-Püree und wird ganz nebenbei durch die Verheiratung mit frischer Minze englischer als die klassische Vorlage. Säuerliche Crème fraîche verstärkt seine Frische und wird mit gebräunter Butter um buttrig-röstige Noten ergänzt. Die Erbsen können jedoch auch würzig und hocharomatisch als Lamm Keema biryani geschmacklich nach Indien entschwinden.
Was sich bewährt hat geht noch besser, wenn alles perfekt zueinander passt!
Dieser Geschmacks-Kochkurs ist jedoch nicht nur auf der Suche nach dem Meilen sammelnden leckerem Erlebnis, sondern versteht es genauso die handfesten Klassiker der regionalen Küche wie einen Multi-Erbseneintopf (dafür sind sogar Kichererbsen zugelassen) oder einen süßsauer eingelegtem Kürbis mit Kalbstafelspitz perfekt in Szene zu setzen. Bisschen Zeit sollte man sich dafür aber in jedem Fall nehmen, es lohnt sich in jedem Fall!
Die „Aroma-Dompteuse“ hat mehr als einen Trick in petto!
Wenn es denn so einfach wäre mit dem richtigen Aroma-Pairing, dann könnte man den Nachkocher ja sagen, setzt auf Kontraste, wenn ihr das gelernt habt, dann habt ihr schon mal 80 % und es wird in Eurer Küche nie langweilig. Klar geht das, aber nicht immer und überall, De Fries unterstreicht das Anis lastiges Aroma des Fenchel durch gezielte Kombination mit ähnlichen Geschmacksnuancen z. B. mit würzigen Fenchelsamen (Rahmfenchel mit Lachsfilet und Röstzitronen-Reis), setzt ihm mit Zitrusfrische wieder einen Kontrast (Gekneteter Fenchel mit Grapefruit und Halloumi) entgegen oder polt diesen mit scharfem Anrösten in der Pfanne und der Zugabe von viel Umami in Form von Tomaten, Knoblauch und Parmesan ein bisschen um (Ofenfenchel mit Knusperstreuseln), so dass dieser anschließend kräftig und rund schmeckt. Dabei verliert Fenchel ganz nebenbei seine leichte Bitter-Note, die durch Bockshornklee wieder geschickt gehoben werden kann. Diese Köchin weiß die Kunst liegt im Erkennen und der differenzierten Herangehensweise, um das zu transportieren, nutzt dieses wohltuend andere Buch zum Aroma-Pairing die Einleitung zu den unterschiedlichen Gemüsesorten und dort finden vor allem diejenigen erhellende Einsichten, die ihr Aroma-Diplom eigentlich lieber praktisch machen.
Probiert & Verputzt:
Möhrensalat mit Erdnüssen und Koriander
Das Geheimnis dahinter, das Zusammenspiel von Süße (Möhre) und Säure (Limettensaft) ergänzt durch die nussige Note des Sesamöls und mit Umani-Crunch in Form von gerösteten Erdnüssen. War sensationell gut! Ich war bei den Limetten vorsichtiger und habe nicht alle 4 (auf 1,2 kg Möhren) verwendet, denn ich hatte 2 größere Exemplare, die für uns an Säure ausreichend waren.
Aber können Möhren auch Dessert?

Ja, das können sie z. B. orientalisch süß und würzig (Sternanis, grüner Kardamom und Zimt lassen grüßen). Sehr lecker und danke für die Idee nicht nur Rosinen zu verwenden – wie es die klassische indische Vorlage vorschreibt. Wir fanden dass gerade die getrockneten Aprikosen ganz wunderbar dazu passen.

Verblüffend, einfach – sehr stimmig! Die erdige an Lakritz erinnernde Note des Dill versteht es diese Kombination überraschend auf zu mischen!
Rahmfenchel mit Lachsfilet und Röstzitronen-Reis

Das Fenchel-Aroma erfährt durch die Zugabe von getrocknetem Fenchel eine entscheidende Steigerung. Ganz toll auch die frische Note dazu, die die Kombination aus Zitrone und Petersilie mitbringt. Und nicht zu vergessen, der Hauch von Lakritz, den sowohl das frische Fenchelkraut, als auch Dill befördern. Zusammen und darum geht es hier – einfach klasse!
Fazit – oder was ist besonders hier?
Die Fotos können es nicht nur mit dem Inhalt aufnehmen, sondern machen die Message eindeutig. Wer bislang meinte, kochen hat nichts mit Wissenschaft oder besser Chemie zu tun, wird gerade durch die Bildsprache dieses wirklich sehr schönen Buch zum Thema Aroma-Pairing direkt mit der Nase darauf gestoßen. Die Rezepte von Antje de Vries sorgen zudem dafür, dass neue Geschmäcker und ebenso neue Erkenntnis für altbekannte Klassiker gleichermaßen in unsere heimischen Küchen Einzug halten. Die Thematik ist komplex, diese Präsentation jedoch ebenso ästhetisch, wie lecker und mit dem Gefühl dafür, dass für viele die praktische Erfahrung und kulinarische Veranschaulichung mehr wiegt, als eine langatmige Einbettung in den kompletten wissenschaftlichen Unterbau. Wer neue kulinarische Erfahrungen lieber er-schmeckt als studiert ist bei diesem spannenden Kochbuch gold richtig und wird durch die Geschmacks-Steckbriefe zu den verschiedenen Gemüsen wunderbar abgeholt. Dann erklärt es sich von selbst, warum dieses Thema nicht nur Mut, sondern noch mehr Wissen um das Wie, Wieso, Warum benötigt, wenn es am Ende toll schmecken und ebenfalls überraschen soll.
Herzlichen Dank für die Übersendung als Rezensionsexemplar!