
Nigel Slater: Greenfeast Spring/Summer
Food-Fotos: ©Jonathan Lovekin
Preis: 28,— €
Slater kann auch viel Gemüse lecker und unkompliziert kochen!
Der Alltagskocher macht jetzt in Gemüse!
Alltagsküche und Gemüseküche sind die Themen, die in 2019/2020 viele bekannten Kochbuch-Autoren in ihren jüngst erschienen Büchern zum Schwerpunkt auserkoren haben. Wer jetzt den Verdacht hegt, dass all diese Autoren einfach keine neue Ideen haben und sich deshalb der alltagstauglichen vegetarischen manchmal sogar veganen Ernährung zu wenden, dem lässt sich nur entgegnen vielleicht, aber sehr wahrscheinlich steckt da viel mehr dahinter…. Kalorien technisch ernähren sich viele von uns noch immer wie in den Nachkriegsjahren, obwohl die meistens von uns vom Büro (Homeoffice)-stuhl am Abend in den Fernsehsessel pendeln. Und wer sagt denn, dass viel Gemüse nicht ebenso lecker ist und ebenso einfach jeden Tag schnell und unkompliziert auf den Tisch kommen kann…
Wer kocht?
Nigel Slater zählt zu den bekanntesten Food-Journalisten der Welt. Er ist Autor vieler erfolgreicher Bücher und genießt in England nicht nur unter Spitzenköchen Kultstatus. Seit 20 Jahren schreibt er für den ›Observer‹ eine Kolumne zum Thema Essen und drehte diverse Kochsendungen für die BBC. Zu seinen Büchern gehören die hochgelobten Bände ›Tender. Gemüse‹ und ›Tender.Obst‹, ›Das Küchentagebuch‹, ›Eat‹ sowie ›Einfach genießen‹, ›Ein Jahr lang gut essen‹ und ›Das Wintertagebuch‹, die alle bei DuMont erschienen sind.
Was ist drin?
Was gab es eigentlich letzten Monat, letztes Jahr zu Essen….
Der Brite ist als versierter und kreativer Alltagskocher inzwischen eine Institution. Die Reihe „Greenfeast“ versteht er als zeitgemäße Fortschreibung seiner Küchentagebücher. Der Anlass dazu entstand als Nigel Slater sich im letzten Jahr seine Küchentagebücher vorknöpfte und feststellte, dass sich sein Kochverhalten und seine Eßgewohnten unbemerkt zu einer rein vegetarisch/veganen Ernährung mit viel, viel Gemüse verändert hatte. Tatsächlich schreibt der Mann ein Küchen-Tagebuch und vertraut diesem seine alltäglichen Mahlzeiten an. Bislang sind alle seine Kochbücher durch die privaten Küchentagebücher mit Rezepten gefüttert worden, denn Nigel Slater ist ein überzeugter Alltagskochen und improvisiert gerne.
Was bleibt und was fliegt?
Und genau das macht den Reiz seiner Kochbücher aus, weil Slater damit automatisch mit seinen Fans viel gemeinsam hat. Er kocht halt mit dem was ihm spontan beim Einkaufen ins Auge sticht und was sich in seinem Küchenschrank und im Kühlschrank befindet: Dazu gehören nach wie vor Kichererbsen aus der Dose, Tahin, gemahlener Kreuzkümmel, Koriander, Kokosmilch, Zitronengras, Sherry-Essig, Knoblauch, Ingwer, Lorbeerblätter, Misopaste…. Also alles Zutaten, die Großstadt-Kocher und Fans ambitionierter Alltagsküche bekannt sind und die die meisten bei sich schon längst zu Hause stehen haben. Freekeh (grüner Weizen) habe ich mir neulich im libanesischen Laden mitgenommen und den speziellen englischen Blauschimmel-Käse, werde ich bei Bedarf durch ein bei uns gut erhältliches Produkt ersetzen. Curryblätter kommen bei mir aus dem Tiefkühler, weil die im Gegensatz zu UK, bei uns frisch äußerst schwer zu bekommen sind und in der getrockneten Version deutlich weniger geschmackvoll sind. Und beim Queller (Meeresfenchel) bin ich großzügig, der wird in England von den Bewohner der Küstenregionen seit Jahrhunderten gesammelt. Außerdem handelt es sich um sage und schreibe ein Rezept und eine Lieblingszutat des Briten, die er vorsichtig und unprätentiös einer größeren genussfreudigen Gemeinde vorstellen möchte. Speck kann Umami, Queller aber auch!
Draußen bleiben bei Nigel diesmal Fleischwaren, Speck im Besonderen und z.B. Mascarpone, alles Dinge die gut schmecken, wenn man schnell nach einer dominierenden Komponente sucht und auf Kalorien pfeift. Der Mann ist sich treu geblieben er kocht nicht streng vegan und hat zudem weiterhin Sahne, Zucker und Honig in den Zutatenlisten seiner Rezepte. Die Schwerpunkte und Geschmacksgeber werden jedoch verändert und Gemüse rückt in die Pool-Position auf. Wenn sonst Speck für Umami sorgte, tun das jetzt ebenbürge Vertreter wie z. B. Sojasauce, Kerbel oder frischer Meerrettich und sorgen für nuancierte geschmackliche Tiefe. Alle Rezepte sind außerdem leicht abwandelbar. Mr. Slater ging es in diesem Buch darum, Gemüse zu featuren, Ernährungs-Dogmen verbindet er damit keine, möglicherweise aber die Idee, dass viele heute nicht nur mit Speck uns Sahne kochen wollen und Lust auf mehr Gemüse und neue kulinarische Abenteuer damit haben, wenn ihnen jemand einfach nur Alternativen aufzeugt.
Wozu braucht man Teller, wenn eine Schüssel Essen so viel mehr Trost spenden kann….
Der Brite outet sich außerdem als bekennender Schüssel-Sammler. Schalen für Suppe oder Porridge, Schüsseln für Reis oder Nudeln, Schüsselchen für Desserts….. Er liebt es, diejenige auszuwählen, die am besten zu dem Essen am jeweiligen Tag passen und häufig hat er einfach das Gefühl, Essen schmeckt besser, wenn man es aus einem Gefäß isst, das seinem Inhalt schmeichelt. Als Nigel Slater vor vierzig Jahren nach London zog, kaufte er sich zwei dicke, schwere, weiße Suppenschalen, die ihm bis heute gute Dienste leisten…. Sie sind täglich im Gebrauch, nicht mehr zum Essen, sondern zum Verquirlen von Eiern oder Anrühren von Dressings. Mindestens eine steht immer im Kühlschrank, mit einer Untertasse als Deckel, und hütet einen kleinen Schatz für die kommenden Tage. Wer das jetzt als Absage für die trendige Bowl-Küche sieht, hat vielleicht Recht, aber eine Bowl ist schließlich auch nur eine Schüssel und warum diese nicht einfach mit etwas füllen, was wir sowieso jeden Tag kochen und sich die komplizierten Kreationen für die Tage aufsparen, wo wir mehr Zeit und Muße haben.
Was gibt es zu essen?
Es mag an Nigel Slaters Vorliebe für eine wärmende Schüssel in der Hand liegen, dass seine Rezepte vermeintlich unorthodox kategorisiert wurden: Für ihn spielen die klassischen Kategorien von der Vorspeise zum Dessert keine Rolle in diesem Buch, er unterscheidet danach ob etwas in einer Schüssel serviert wird, in der Pfanne, im Ofen oder am Grill zubereitet wurde, aus der Hand oder vom Teller, morgens oder zum Dessert verputzt werden kann. Die Marschrichtung ist damit klar bestimmt, es geht um schnell zuzubereitende leckere Alltagsküche, hier halt in einer neuen passenden Form, die mehr zu einem Küchen- u. Genuß-Alltag in 2020 passt.
Unkompliziert auch wenn mehrere mit am Tisch sitzen…
Eine Schale mit roter Paprikasuppe könnte neben einem Teller mit gebratenen Auberginen und Feta stehen. Vielleicht sind ebenfalls knusprige Erbsenkroketten mit einem Salat aus Tomaten und Stangenbohnen auf dem Tisch angerichtet. Südostasiatische Nudeln könnten mit gebackenem Frühlingsgemüse und Erdnusssoße gegessen werden, ein mildes Gericht aus überbackenem Sahneblumenkohl (das was immer schon ein Dream-Team und muss nicht auf Teufel komm raus verändert werden) kann neben einem scharfen Tomaten-Couscous auftauchen. Das eine Mahlzeit aus zwei Gerichten, oft sind es sogar drei und mehr besteht, ist im Hause Slater ganz normal. Er findet es weitaus erfreulicher, von mehreren Sachen probieren zu können, als vor einem einzigen vollgehäuften Teller zu sitzen und wenn Gäste mit am Tisch sitzen macht das gleich nochmal mehr Spaß!
Probiert & Verputzt:
Knackiges Gemüse, sanfte Gaumenschmeichelei durch Ei, viel Umami durch Parmesan und anisartiger Kerbel so geht leckere Gemüseküche!
P.S. Dicke Bohnen mit Hülsen bringen das Drei- bis Vierfache der Menge auf die Waage. Bei mir kamen sie vom arabischen Lieblingshändler, alternativ kann man auch tiefgekühlte Ware verwenden.
Salziger, quietschiger Käse, eiskaltes Obst und ein bisschen scharfe Würze dazu, herrlich und genau das richtige für einen Tag, an dem der Asphalt in Frankfurt glüht!
Paprika, Kichererbsen, Knoblauch
Haben wir im Januar in unserem Wander-Urlaub auf den Kanaren zum Abendessen gemacht und dieser Fast-Hummus schmeckt einfach großartig! Die Lorbeerblätter wurden am Tag unterwegs frisch gepflückt und statt Paprika-Pulver hatte ich Rauch-Paprika da (Spanien halt). Kichererbsen aus der Dose verwende ich keine mehr, die schmecken meistens total fad. Einweichen und vorkochen krieg ich problemlos ebenso im Urlaub hin. Planen muss ich sowieso, denn den Supermarkt um die Ecke gibt es in der „Pampa“ nicht…. Das Paprika-Topping ist das i-Tüpfelchen bei diesem wirklich sehr leckeren Hummus!
Gebackenes Frühlingsgemüse, Erdnusssauce
Ein wunderbar unkompliziertes Rezept – gerne wieder! Bei der Erdnussbutter lohnt es sich eine gute Qualität zu kaufen.
P.S. Wirklich junge und kleine rote Beete zu bekommen ist leider nicht ganz einfach. Ich habe meine geviertelt und ihnen 30 Minuten Vorsprung im Ofen gegeben. Wer hungrig aus dem Büro kommt, sollte das mit einkalkulieren…..
Fazit Gemüse for lecker, Gemüse for future!
Slater und lecker Gemüse, das funktioniert gut, weil er sich selbst und seinem Koch-Stil treu geblieben ist. Er ist ein Alltagskocher, der aus kulinarischen Gründen auf viel Gemüse umgesattelt hat. Die Kapiteleinteilung hat mir ebenfalls zugesagt, weil eine Schale mit leckerem Essen nicht nur lecker schmeckt, sondern tröstliche Wärme spenden kann. Wir müssen aber deshalb nicht gleich übertreiben und das Rad mit komplexen Bowl-Gerichten mit jeder Menge Zutaten neu erfinden. Viele Schälchen auf dem Tisch machen einen, zwei oder viele nicht nur satt, sondern, viel glücklicher, als es dem vollgehäuften Teller je gelungen ist. Dass das bei Gästen außerdem auch praktisch ist, wissen wir ja schon ein paar Jahre…
Ich hatte dieses schöne Kochbuch bereits im letzten Wanderurlaub dabei und für mich war es sehr hilfreich, wenn ich sofort erkennen konnte, wie etwas zubereitet wird Es gab Tage, da hatten wir Zeit zum Grillen an anderen Tagen wollten wir ganz viel aufs Backblech werfen oder ganz schnell etwas in die Pfanne hauen, weil es noch Reste gab, die sich dazu gesellen sollten.
Dieses „Gemüsefest“ aus London kommt absolut zur rechten Zeit, es orientiert sich an den Gewohnheiten der Nachkocher und bietet „lecker“, statt schwere Zutaten an, die mit ihrer Dominanz alles andere neben sich geschmacklich platt machen. So muss man heute nicht mehr kochen und sollte es auch nicht jeden Tag tun. Verzichten muss dabei keiner, sein Gaumen lernt nur wieder Nuancen zu er-schmecken. Was eine solche Ernährungsweise ganz nebenbei für unser Klima und unsere Figur tun kann, steht außer Frage, besonders weil dieses Kochbuch kein dogmatisches, sondern ein leckeres und zeitgemäßes geworden ist. Das dieses schöne Kochbuch dabei ganz nebenbei ebenfalls die saisonale Küche featured ist kein Zufall und gehört unbedingt zum Kochstil des Autors.
Das Buch muss man einfach haben. Einfach und unkompliziert nachzukochen. Sehr schöne Rezepte. Ich habe mir das auch sofort nach Erscheinen zugelegt. Obwohl ich schon sooooooooooviel Kochbücher habe und mir vorgenommen hatte keine mehr zukaufen. Aber das musste sein. Liebe Grüße aus Bonn am Rhein Hartmut
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Die Grüße gehen vom Main zurück an den Rhein. Ich mag ihn auch sehr und freue mich, wenn es Dir genauso geht!
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