Leah Hyslop: Made in London
Food-Fotos: Martin Poole
Preis: 25,– €
Einmal London komplett zum Mitnehmen, bitte!
Worum geht’s?
Send my love to London! – oder reisen auf die kulinarische Art….
London ist die für mich eine der Metropolen, die beim Gang durch seine Straßen sehr eindrucksvoll und lebendig zeigt, was ein „melting-pot“ kulinarisch ausmacht. Längst wollte ich mal wieder hin – Pech gehabt – dieses Jahr wird das vermutlich nichts mehr! Statt durchs East-End zu schlendern und mir zu überlegen, in welches „Balti“ (nordindisch-pakistanischen Restaurant) ich denn diesmal einkehre, oder über den beliebten Brixton-Market zu bummeln und zu schauen, was bei den zahlreichen karibisch ausgerichteten Food-Stalls alles angeboten wird – mache ich mit Leah Hyslop: und ihrem tollen Kochbuch „Made in London“ jetzt virtuell und sinnlich kulinarisch“ einen Stadtrundgang durch die Hauptstadt Großbritanniens. Auch wenn dieser nicht vor Ort stattfinden kann, lässt sich schon nach dem ersten Durchblättern erahnen, der kulinarische Rundgang durch London mit dieser jungen Frau ist vielschichtig und ziemlich lecker!
Who is the culinary tour guide?

Leah Hyslop ist Food- und Lifestyle-Journalistin, Redakteurin und Content-Expertin mit über einem Jahrzehnt Erfahrung bei einigen der bekanntesten britischen Marken. Sie ist Food Director bei »Sainsbury’s Magazine«, dem größten Lebensmittel-Titel Großbritanniens, zuvor war sie sieben Jahre bei »The Telegraph«. Ihre Arbeiten wurden unter anderem in den Publikationen Metro, The i, The Times, Foodism, Eater und Londonist veröffentlicht. Die Journalistin tritt regelmäßig im Radio auf, sowie in Jury- und Interview-Panels. Sie lebt in East London und ist stolze Besitzerin einer riesigen Sammlung an Kuchenbackformen.
Was ist drin?
Die britische Metropole hat Paris als Hauptstadt des Genusses längst den Rang abgelaufen!
Hyslop wurde in London geboren und zog dann erstmal mit ihren Eltern nach Kent, bis sie zum Studium und Job nach London zurückkehrte. Der Abstecher nach Feierabend zu den berühmtesten Bäckereien Londons wurde schnell zu einem regelmäßigen Ritual und am Wochenende sprang die junge Food-Journalistin in die berühmt-berüchtigte „Tube“ und ließ sich von dieser im Untergrund zum beliebten Borough-Markt chauffieren. Am Abend stand – wenn diese die Zutaten-Ausbeute nicht selber verkochte – der Besuch in einer der ca. 7000 verschiedenen Restaurants fest in ihrem Kalender. Praktisch gedacht bedeutet es, dass bei 7000 Restaurants die Einwohner Londons sieben Jahre jeden Tag eine andere leckere Speise genießen können, ohne dass sie ein Lokal überhaupt nur zweimal besuchen. Wer da noch London als zurückgebliebene Commonwealth-Zentrale ansieht, wo man vielleicht satt wird, aber nicht schlemmen und genießen kann – ist einfach selber schuld! Während Paris in Tradition erstickt, hat man in London mit der Vielfalt, die seine Einwohner aus aller Welt ganz selbstverständlich als Gastgeschenk mitbrachten, ebenfalls eine Szene von ambitionierten Köchen aus aller Welt angezogen. Wenn es um kulinarische Innovation geht, spielt in Europa die Musik längst in der britischen Hauptstadt!
Charles Dickens lässt grüßen, ein Blick in die kulinarische Vergangenheit…
Streetfood ist keineswegs eine Modererscheinung des 21. Jahrhunderts. Nein, das gibt es in London schon seit Jahrhunderten lerne ich auf sehr unterhaltsame Art von Leah Hyslop. „In viktorianischer Zeit wimmelte es in den kopfsteingepflasterten Gassen nur so von Straßenhändlern, die alles mögliche an Delikatessen feilboten: frittierten Fisch und Erbsensuppe, gebackene Kartoffeln, Chelsea Buns (Londons Antwort auf das Crossaints) und bei Ms. Hyslop mit einer Füllung aus Butter, Zucker, „mixed spices“ und Rosinen) und importierten Orangen. Aber auch frischer Aal aus der Themse war sehr beliebt, oft wurde er vor den Augen der Käufer lebendig gehäutet. In seinem Buch Die Armen von London zeichnet der Journalist Henry Mayhew das lebendige Bild eines überfüllten samstäglichen Nachtmarktes: „Nach der Lohnauszahlung am Samstagabend oder ganz früh am Sonntag ist auf dem New Cut und besonders dem Brill kein Durchkommen mehr. Gehweg und Straße sind vollgestopft mit Käufern und Händlern. Die Hausfrau mit dickem Schal und Einkaufskorb am Arm schlendert vorbei, wirft einen Blick auf den Stand mit den Hauben und feilscht nebenbei um ein Bund Gemüse. Knaben mit drei bis vier Zwiebeln in der Hand drücken sich durch die Massen, schlängeln sich durch jede noch so kleine Lücke und werben in klagenden Tönen Kundschaft an, als bäten sie um eine milde Gabe. Und dann erst der Tumult, der aus voller Lunge durcheinander schreienden Händler, sodass es einem im Kopf ganz wirr wird. »Verrrr-kauft!«, brüllt der eine. »Esskastanien, Esskastanien, die Stiege ein’ Penny!«, dröhnt ein anderer. “
Kulinarische Vielfalt a la London funktioniert auch in Frankfurt…..
Diese Autorin geleitet uns mit kreativer Hand und viel Erfahrung durch den kulinarischen Alltag der britischen Hauptstadt: Zum Frühstück vielleicht Grapefruit mit Karamellhonig auf Kardamom-Ingwer-Joghurt oder doch lieber mit Bacon-Naan und Chili-Tomaten-Marmelade den Tag herzhaft beginnen.
Beim kleinen Hunger zwischendurch zeigt sie, London besteht nicht nur aus Toast allein, das feste dunkle Brot mit Rübensirup, ist mit Natron im Rezept wunderbar unkompliziert. Am besten schmeckt es mit Crème fraîche, Kapern und geräuchertem Fisch – oder geröstet und dick mit gesalzener Butter bestrichen. Mit London-Spezial war zu Monet’s Zeiten der berühmte Londoner Smog gemeint, in diesem Buch verbirgt sich dahinter eine würzige Erbsen-Suppe, die mit Thymian und Lorbeerblättern deutlich an Eleganz gewonnen hat.
Zum 5-Uhr-Tee gibt es einen herrlich Früchtekuchen, der mit einer Rosenwasser-Creme überzogen wurde und beim Dinieren vervielfältigen sich die kulinarischen Möglichkeiten der City of London in ungeahnte Höhen: schlichte Cacio e Pepe wie auf dem Borough Market oder doch lieber mit einem Billingsgate (Londons berühmtesten Fischmarkt)-Fischeintopf klassisch bleiben? Der Schuss Honig im Bricklane-Curry, hebt das Aroma der Gewürze und sorgt für einen bleibenden kulinarischen Eindruck, bevor dieses mit Crème fraîche oder Sahne, Zitronensaft und Garam Masala verfeinert wird. Rinder-Pho oder Bao-Brötchen mit Schweinefleisch dieses Kochbuch ist der beste Beweis, was in London kulinarisch möglich sein könnte und mir zum Glück trotz aktueller Reisebeschränkungen in Frankfurt nicht verwehrt bleibt.
„To come in Pudding-Time“ bedeutet so viel wie genau im richtigen Moment erscheinen und lässt sich im übertragenen Sinn natürlich unbedingt für diese interessante und leckere Kochbuch reklamieren! Wie wäre es z.B. mit Pfirsich Melba oder einem Trifle mit Pimm’s und Lemon-Curd zum Dessert?
Den Abend beschließen wir dann stilecht mit einem spritzigen Tom Collins (Gin)-Cocktail oder einem eleganten Martini nach Agenten-Manier (James-Bond-Martini).
Glück gehabt, diese Führung hat sich gelohnt!
Ich stelle zu meiner Freude fest, zu Hause bleiben ist doch gar nicht so schlimm, denn Leah Hyslop kann London’s kulinarische DNA lecker, mit Twist und sehr unterhaltsam zu mir nach Frankfurt transferien! Ich fühle mich bei ihr – wie wenn man bei einer Stadtführung auf jemand mit viel Erfahrung und großem Talent zur Unterhaltung trifft, während bei einer weiteren Gruppe direkt neben dran sichtbar und erfahrbar ist, was es auch hätte werden können: Langeweile, vorherseebare Genüsse und allenfalls solide Rezepte. Bis hierhin bin schon mal sehr erfreut, dass Ms. Hyslop sich richtig reingehängt hat, um aus meiner erneuten Begegnung mit ihrer Heimstadt, kulinarisch etwas Besonderes zu machen!
Probiert & Verputzt:

Eigentlich gehört ein Sandwich mit Hühnchen-Salat absolut nicht zu meinen Favoriten. Hier habe ich gerne eine Ausnahme gemacht, denn die „krönenden“ Zutaten sind ein anständiges Curry-Pulver so wie ein fruchtiges Mango-Chutney, das in der Lage ist, es mit der mächtigen Mayonnaise aufzunehmen. Für mich muss diese unbedingt selbstgemacht sein! Mit der würzig-frischer Brunnenkresse on top gelingt einem verhunzten Klassiker der Wiederaufstieg in die Premier-League!
Scotch Eggs mit scharfer, Senfmayonnaise
Comfort-Food der feineren Art, das mit ordentlichem Wumms durch Kräuter und vor allem Senf im Fleischteig überzeugen kann!
Auberginen auf koreanische Art

Wir lieben alltagstaugliche und würzige Feierabendküche – diese sehr schmackhaften Auberginen kochen sich quasi von selbst und gefallen mir besser als die Auberginen-Beilage, die man in Korea daraus häufig macht! Wenn etwas in London besser schmeckt als in Seoul, dann hat die Autorin dieses Kochbuchs vieles besser gemacht!

Allein für dieses Rezept bin ich froh, dass es dieses Jahr nicht mal wieder mit London geklappt hat! Wer weiß, wie dieses Gericht vor Ort auf den Tisch gekommen wäre? Hier kann man absolut nicht meckern meinte mein Mann und fühlte sich doch tatsächlich an einen Urlaub in Südafrika erinnert, wo die „Fish & Chips-Bude“ mit unerwartet leckerem Essen aufwarten konnte und das ganz ohne die „hässlichen“ Begleiterscheinungen von Fastfood……. Nigella Lawson sei Dank, in diesem Rezept müssen die Chips nur einmal frittiert werden!
Baisergedeckte Tarte a la St. Clement’s

Die süß-scharfe Note des Teigs ist ein toller Kontrast zur fruchtigen Süße der Creme. Beim verwendeten Zucker bin ich vorsichtiger gewesen!
Pikante Lammkoteletts mit Kachumber

Wer sagt eigentlich, dass indisches Lamm nicht auch frisch und lecker kann? Dieses Rezept kommt wie gerufen für alle, die endgültig die die Nase voll von Curries haben, die nie ohne eine ölige Schicht obendrauf mit ihren inneren Werten (Gewürze) winken……
Fazit: London zum Mitnehmen – häufig besser als das Original!
Leah Hyslop webt in ihrem kulinarischen Liebesbrief an London ein schillerndes Netz aus bewegenden Geschichten aus Vergangenheit und Gegenwart. Das Buch feiert all die kulinarischen Freuden, die die Hauptstadt des Vereinigten Königreichs zu bieten hat und ist zugleich wertvoller Führer zu den besten Bäckereien, buntesten Lebensmittelmärkten, angesagtesten Bars und Pubs, urigen historischen Restaurants … Jedes Rezept, das ich probiert habe, hat mir großen Spaß gemacht und kam mit Twist und Tricks aus London in meine Frankfurter Küche. Die abgenutzten und verhunzten britischen Klassiker werden bei Ms. Hyslop wieder richtig lecker! Ergänzt durch die vielfältigen kulinarischen Möglichkeiten, die London zu bieten hätte, wenn es denn könnte, ist dieses Kochbuch von Leah Hyslop, die beste aller Möglichkeiten, die man sich gönnen kann, um London kulinarisch endlich wirklich kennenzulernen. Wenn etwas in London besser schmeckt als in Seoul, dann hat die Autorin dieses Kochbuchs einen ziemlich guten Job gemacht! Wunderbar das Leah Hyslop außerdem einen Blick auf Londons kulinarische Vergangenheit wirft, der sich wunderbar stimmig ins Kochbuch einfügt und zu unterhalten versteht.
Diese Reise war sehr unterhaltsam und unerwartet lecker, mal schauen ob die britische Metropole da vor Ort mithalten kann?