
Janine Hissel und Elke Schwarzer: Das kleine Unkraut-Kochbuch
Fotos: Sylwia-Gervais und Sabrina Sue Daniels
Preis: 14,95 €
Geschickt umdenken und den Schnecken ein Schnippchen schlagen….
Die Knoblauchs-Rauke tummelt sich ungeniert im Staudenbeet, während die Schnecken achtlos an dieser vorbei geradewegs auf den frischen Austrieb der Stauden zu kriechen und sich an ihm gütlich tun. Auch im Gemüsegarten ist Alarm angesagt: Statt das Franzosenkraut zu verputzen, widmen sich die wählerischen Weichtiere lieber mit Hingabe den gerade austreibenden Buschbohnen oder den frisch gesetzten Zucchini-Sämlingen, die jetzt gefordert sind, um ihren Platz gegen die Unkräuter noch zu verteidigen. Wir haben schwupp die wupp zwei Probleme die „Schleimer“ von unseren Lieblingspflanzen fernhalten und der Landnahme der vermeintlichen Unkräuter wieder Herr zu werden.
Wer macht das Beste aus dem was sowieso da ist?
Janine Hissel ist Kräuterpädagogin und die Frau hinter den Rezepten. Wanderungen zu jeder Jahreszeit und die Beobachtungen der Natur haben sie schon immer begeistert. Sie gärtnert in ihrem naturnahen Reihenhausgarten und freut sich immer wieder über die Ernte von Wildkräutern. Die Liebe zur Natur, ihre beruflichen und privaten Erfahrungen sowie Spaß und Freude am Kochen und Organisieren, am Dekorieren und an der Herstellung von Produkten aus und mit Wildkräutern haben im Laufe der Jahre zu ihrem umfangreichen Angebot an Kursen und Veranstaltungen geführt. Dazu zählen Kochevents und Wildkräuterwanderungen (www.wald-und-wiesenblumen.de) im Raum Aachen / Würselen.
Elke Schwarzer ist Diplom-Biologin und so oft es geht in der Natur unterwegs. Sie fotografiert Pflanzen und Insekten und gärtnert in ihrem Reihenhausgarten mit Kompost, torffreier Erde und ohne Pestizide. Über ihre Erlebnisse auf diesem überschaubaren Stück Grün bloggt sie regelmäßig auf www.guenstiggaertnern. blogspot.de, außerdem hält sie Vorträge über wildbienenfreundliche Gärten. Gegen den Giersch verwendet Frau Schwarzer mehrere Wunderwaffen, wie Bärlauch und Rauling und die Knoblauchsrauke darf für die Aurorafalter, die regelmäßig in ihrem Garten Eier an der Pflanze ablegen, an manchen Stellen blühen. Für den Ulmer Verlag hat sie schon mehrere Gartenbücher geschrieben, unter anderem die Bestseller „Der Giersch muss weg“ und „Meise mag Melisse“.
Was ist drin?
Wie wäre es aber, wenn wir einfach über die Arbeitsverweigerung der Schnecken gnädig hinwegsehen und die wilden Kräuter nach dem Jäten zur Belohnung selbst aufessen? Das schmeckt überraschend gut. Erstaunlich viele sogenannte Unkräuter, die sich ohne unser Zutun im Garten breitmachen, sind nicht nur essbar, sondern schmecken mit den richtigen Partner kombiniert, richtig toll. Die Brennnessel zum Beispiel offeriert nussig schmeckende Samen, aber auch Blattwerk in Hülle und Fülle, das man prima in die Suppe werfen kann. Oder die Vogelmiere, von der hätten wir garantiert nicht gedacht, dass sie nach Mais schmeckt. Auch der Gundermann hat einen unnachahmlichen Geschmack, der kein Gemüse imitiert, sondern ganz und gar neu und sehr würzig schmeckt.
Aber das Unkraut kann noch mehr! Es zeigt uns, wie es um unseren Boden beschaffen ist, denn im Gegensatz zu Gartenpflanzen, die wir oft gegen ihren Willen an einen bestimmten Platz zwingen, wo sie dann vielleicht gar nicht sein wollen, sucht sich das Unkraut schon von ganz allein ein passendes Plätzchen, das seinen Bedürfnissen entgegenkommt. Dort wo die Brennnessel sich wohl fühlt, ist immer genug Stickstoff im Boden. Auch der Giersch mag keine mageren Böden. In Zukunft hacken wir Unkräuter nicht mehr ärgerlich um, wir essen sie lieber mit Genuss auf und lernen mit ihnen viel über die Bodenbeschaffenheit und die idealen Pflanzen für jedes Eckchen in unserem Garten!
Den Spieß umdrehen und auch noch lecker kochen?
Janine Hisselund Elke Schwarzer sagen in Das kleine Unkraut-Kochbuch den Top 10 der nervigsten Unkräuter den Kampf an. Das, was im Überfluss von allein wächst, werfen sie einfach in den Kochtopf: So werden Brennnessel, Dost, Franzosenkraut, Giersch, Gundermann Knoblauchsrauke, Löwenzahn, Rainkohl, Vogelmiere, Wegeriche zu neuen Geschmackserlebnissen.
Über 60 Rezepte laden mit appetitlichen Fotos zum Umdenken ein, der eigene Garten wird mit Wiesen-Smoothie, Spitzwegerich-Muffins, Wildkräuter-Seelachfilet, Rindergulasch mit Franzosenkraut, Frittata mit Vogelmiere, Rainkohlknödel, Knoblauchsrauken-Feta-Dip, Erdbeermarmelade mit Gundermann oder Giersch-Wildkräuter-Limonade zum etwas anderen Kräuter-Lieferant. Kulinarische Überraschungen garantiert, Basilikum und Petersilie können diese Spannung schon lange nicht mehr aufrufen. Also los einfach mal was Neues wagen!
Eigentlich gibt es keine Unkräuter, sondern es handelt sich häufig um Pflanzen, die früher als Wildkräuter genutzt wurden. Ein weiterer Pluspunkt, im eigenen Garten kennt man sich, wir wissen genau, wo diese Wildkräuter herkommen und welchen Einflüssen diese ausgesetzt waren und „vierbeinige Zeitgenossen“ verewigen sich auch nicht ungefragt daran.
Huch, was sollen den Franzosenkraut und Rainkohl mir in der Küche bringen?
Dost, das ist wilder Oregano, natürlich den lästigen Löwenzahn und die Knoblauchsrauke, die wirklich keine Sonnenanbeterin ist, kannte ich schon, aber was um Himmelswillen ist Franzosenkraut oder Rainkohl, kann man die wirklich essen und was bringen die mir in der Küche, sind die Fragen, die mir schnell in den Sinn kommen, als ich mich durch dieses etwas andere Kochbuch blättere.
Das Franzosenkraut hat hübsche knopfähnliche kleine Blüten, es kann alles bis auf die Stängel verwendet werden. Die Pflanze schmeckt wie ein würziger Pflücksalat und landet in einem Wildkräuter-Risotto, in einem Nudelsalat mit Kirschtomaten, würzt ein herbstliches Schmorgemüse und wird zu einem roten wilden Pesto mit Tomaten verarbeitet. Rainkohl ist ein bitterer Zeitgenosse und wird deshalb nur im Frühjahr verwertet, dann sind die Blätter noch zart und nicht übermäßig herb. Janine Hissel bereitet daraus mit Knoblauch, Speck und saurer Sahne ein Beilagen-Gemüse zu und würzt sogar ihre Semmelknödel für die Champignon-Rahmsauce damit. Klingt abenteuerlich für mich, war bei dieser Kombi bislang immer total auf Petersilie festgelegt. Jetzt heißt es auch für mich, nicht zaudern, sondern mutig sein…. Mal schauen, ob wir echte Geschmacks-Buddies werden….
Erst bestimmen, dann daraus was Leckeres kochen…
Die Gefahr ist nicht sehr hoch , im eigenen Garten auf einen giftigen Doppelgänger zu treffen, denn viel kommt dafür nicht in Frage, aber das üppig mit vielen kleinen gelben Blüten gespickte Jakobs-Greiskraut, oder auch Jakobs-Kreuzkraut genannt, ist so ein Kandidat, erklärt mir die Biologin Elke Schwarzer. Die meisten Kräuter, die im Garten lästig werden können, lassen sich zwar gut erkennen, doch gerade Anfänger sollten sich mit den verschiedenen Merkmalen zur eindeutigen Bestimmung gut vertraut machen. Dafür haben die Autoren neben den vielen Verwertungsmöglichkeiten, nützliche gut bebilderte Profile am Start, die beim „Erkennen“, „Nicht verwechseln“, richtig „Jäten“ und schließlich richtig „Ernten“, helfen.
Mein neues Grünzeug kommt diesmal von draußen:
Brennnessel-Quiche
Hier werden junge Brennnessel-Triebe (Achtung mit Handschuhen sammeln!) in einer lecker-würzigen Feta-Royale gebacken. Eine tolle Möglichkeit, die erste Frühlingsparty damit zu feiern.
Eine neue Erkenntnis hat sich ebenfalls eingestellt, junge Brennnessel-Triebe, lassen sich wie Spinat verwenden….
Löwenzahn-Gemüse-Tarte
Diese knusprige Tarte ist ideal für einen gemütlichen Abend, weil sie sich prima vorbereiten lässt. Löwenzahn ist geschmacklich ja bei weiten kein Leise-Treter, die Zubereitung im Backofen steht ihm deshalb gut und die getrockneten Tomaten passen toll dazu – da treffen sich zwei auf Augenhöhe!
Fazit: Das Köstliche mit dem Nützlichen verbinden!
Mein Interesse an Grünzeug aus der Natur hat im letzten Jahr noch mal Schwung bekommen. Wegen ein paar Kräuterstängeln wollte im März und April 2020 kaum jemand in den Supermarkt gehen. Wir haben einen Garten, der zwar im Moment bis auf zwei Obstbäume nichts mit Nutzgarten zu tun hat, aber wenn man nur am Wochenende dort ist, kämpft man im Frühjahr nicht nur mit einem in Rekordzeit wachsenden Rasen, sondern ebenfalls mit wild wucherndem Löwenzahn, adretten Gänseblümchen, Brennnessel und Giersch, der irgendwie an sehr aromatische Petersilie erinnert. Außerdem habe ich im letzten Jahr leckere Erfahrungen mit einer Kräuterbutter aus gesammelten Wildkräutern gemacht, die Knoblauchsrauke darin war eine echte Entdeckung! Das kleine Unkraut-Kochbuch verbindet unkomplizierte Rezepte mit den richtigen nützlichen Informationen, die Gärtner und Kräuterfans gleichermaßen praktisch abholen. Es ist bleibe nicht das erste Kochbuch, das ich zur Wildkräuterküche im Regal habe, jedoch eines, das endlich nicht zu weit ausholt, und sich um alltagstaugliche und leckere Rezepte bemüht. Die Dritt-Platzierung beim deutschen Gartenbuchpreis 2021 kommt zu Recht, werden in diesem Buch doch Koch- und Gartenbuch praxistauglich und lecker mit einander verwoben.
Liebe Ira,
Danke für diese interessante Vorstellung. Es ist gut, daß wir uns wieder alter Kräuter in der Küche bedienen und den Garten nicht nur als steriles, kontrolliertes Ausstellstück für die Nachbarn betrachten. Ich freue mich auf die von Dir ausgewählten Rezepte.
Liebe Grüße,
Tanja
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