Harneet Bajewa/Devina Seth/Nirmal Save: Gunpowder
Moderne indische Küche
Fotos: Peter Cassidy
Preis: 26,00 €
Es ist Zeit für eine moderne, saisonale und regionale indische Küche!
Worum geht’s
Wer sind die Gastgeber und wer kocht für uns im Gunpowder?
Im Jahr 2014 zogen das aus Kalkutta stammenden Ehepaar Devina Seth und Harneet Bajewa nach London und gründeten zusammen mit dem aus Mumbai stammenden Chefkoch Nirmal Save in 2015 das erste Gunpowder-Restaurant, in dem sie authentische Gerichte anbieten, die die Feinheiten der vielfältigen indischen Küche einfangen und dieser erstmalig auf dem deutschen Buchmarkt ein wenig Regionalität gönnen. Man könnte zwar meinen London hat inzwischen genug indische Restaurants, eben aber nicht ein solches, die Gunpowder–Crew hat sich vorgenommen, die Küche ihrer Heimat so aromatisch und frisch wie möglich und so wenig fettig oder verkocht wie nötig, an deren Fans bringen. Die Londoner Curry-House-Szene durch Experimentierlust und Familientraditionen neu zu beleben und fetttriefende Pakoras oder Samosas und schon gar nicht verkochten Curries nicht mehr allein die Bühne zu überlassen, das war die treibende Kraft hinter dieser Restaurant-Neueröffnung. Und das hat bei den Londoner direkt ins Schwarze getroffen, das Londoner Restaurant wurde im Jahr 2019 mit dem Michelin Bib Gourmand ausgezeichnet.
Wie sieht es aus?
Edel – geschmackvoll und statt Folklore-Alarm dezenter moderner Indien-Flair….
Passend zum Anspruch der beiden Inder aus Kalkutta ist ein edles Buch im stilsicheren nachtblauen Einband mit einer schicken gold-kupfrigen Prägung, angenehmen klaren Rezeptfotos geworden. Das Layout wird durch kleine bunte Girlanden bestimmt, die jedes Rezept einrahmen, ohne das gleich Folklore-Alarm herrscht, was dem Ansinnen des Buches und der Handschrift der Rezepte definitiv den entsprechend geschmackvollen Rahmen beschert.
Was ist drin?
Der Duft Kalkuttas, bitte ein wenig Platz machen im Gewürzschrank, es lohnt sich!
Dieses indische Kochbuch zur modernen indischen Küche sucht nicht die Beliebigkeit und bei den Gewürzen werden keine Kompromisse gemacht. Wer nach einem Buch sucht, dass ihn mit 5 Gewürzen mitten auf die Straßen Kalkuttas beamt ist falsch beraten. Die Message des jungen indischen Paars ist eine andere, sie wollen die Düfte ihrer Kindheit mit ihren Rezepten einfangen. Das eine oder andere muss man sich im gut sortierten Asia-Laden (frische Curryblätter, die in einer ganz anderen Liga spielen als die getrocknete Ware), Jaggery (Palmzucker), oder online besorgen. Wo möglich, werden Alternativen und Behelfsmöglichkeiten angeboten z. B. bei Deggi Mirch, ein indisches Gewürz, das milder als Chili aber intensiver als Paprikapulver schmeckt, wird aus einer Mischung aus Paprika- (2 EL) und Chilipulver (1 EL) selbst hergestellt.
Während die klassische indische Küche auf die bekannten Vorspeisen-Klassiker (Somas, Pakoras & Co.), üppige Currys, quietsch-bunte Desserts und ein paar Getränke setzt, macht dieses Buch vieles anders: frischer und alltagstauglicher sind die Gunpowder-Rezepte für indische Klassiker (gegrillte Aubergine mit Lamm-Keema) geworden. Noch wichtiger ist es den jungen Leuten jedoch, ihre indische Küche durch regionale Zutaten wie Wild, heimische Fische-Sorten und südindisches Seafood, auch mit besonderen Krebsarten zu erweitern und deutlich eleganter zu machen, als das im Kebab-House sonst üblich ist.
Was ist drin und was hat uns geschmeckt?
Viel mehr vegetarisch, weg vom fettriefenden Curry-House-Food
In der Rubrik „kleine Gerichte“ ist von Frühstück (Kicherbsenpfannkuchen, Salli Par Edu– die indische Version einer Schakschuka, die einst Perser nach Indien mitgebracht haben) bis zum Snack vieles möglich.Manche Zutat (Grünkohl statt Spinat) ersetzt klassische indische Zutaten mit dem was man in der neuen Heimat als Alternative dazu im Angebot hat.
Chutney-Cheese-Sandwich (ein Pikanter French-Toast) begeisterte uns als to-go Variante und zeigt man hat sich im Gunpowder vorgenommen, die in die Jahre gekommene indische Cusine ohne Scheu grundsätzlich zu überholen. Ein Röstgemüsesalat mit Koriander und Walnüssen wird durch ein Dressing, mit Ingwer, Mango und frischem Ingwer von Nirmal – dem Koch des Restaurants– geschickt nach Indien verortet.
Bei den Hauptgerichten sind auch Gourmets gefragt
Die Hauptgerichte wurden lt. den Autoren auf Familienfeiern gesammelt und haben auch mal Restaurant—Qualität. Der Chefkoch Nirmal Save wuchs auf einem Bauernhof in der Nähe vom Mumbai (Bombay) auf, er ist ein ausgezeichneter Wild-Koch und bringt Rebhun (Rebhuhn Achari mit Joghurt-Pickle-Dip und Salat mit gegrillter Annas), Wachtel (in Ghee gebratene Pfeffer-Wachtel mit Gunpowder-Dosa und Fasan (Fasan Bhujing Pilaw) im Gunpowder auf den Tisch.
Ansonsten sind die Gunpowder-Macher bemüht, regionale Klassiker aus Indien in London und sonst wo bekannter zu machen. Malabar-Curry mit Blaukrabbe – dürfte aufgrund der verwendeten Blau- oder Seespinne als Zutat, sicherlich schwierig zu Hause nach zu kochen zu sein. Anders sieht es beim Paturi-Macchi aus, bei der der Kabeljau mit grobem Senf – ja wir sind nämlich in London – bestrichen und anschließend gedämpft wird.
Klassiker dürfen nicht fehlen…
Klassiker wie Tandori-Chicken, hier mit Bio-Huhn zubereitet, oder Schweinefleisch nach Goa-Art dürfen selbstverständlich nicht fehlen. Leider war die Fleischsorte beim goanesischen Rezept nicht detailliert angegeben. Ich habe Schweinlende verwendet und bin damit mit der Garzeit von ca. 45 Minuten zurechtgekommen.
Drinks, Getränke, Süßes
Bei den Desserts gibt es Fusion-Food (Panir-Cheescake oder Crème brûlée mit Masala Chai). Sehr ansprechend klingen ebenfalls die eigens für das Gunpowder entwickelten Schokoladen-Kreationen (Schoko-Zimt-Riegel mit Passionsfrucht Shrikhand-Sago oder Bananen-Curryblatt-Parfait mit Schokomousse), die auf Restaurant-Niveau, die Rubrik Süßes bereichern. Außerdem im Gunpowder im Angebot, Drinks (Kitty-Party-Bellini mit Mango-Crush, Koriander, Chili und Proseco) und Getränke (Minze-Apfel-Lassi, Wassermelonen-Shikanji).
Was steht den in der Gunpowder-Speisekammer oder was gibt es dazu
Natürlich Pickles, die hier aber nicht nur aus Gemüse hergestellt werden, sondern auch mal aus Lammfleisch (Andra-Lamm-Pickle) oder Fisch (Fisch-Pickles) und natürlich hausgemachte Gewürzmischungen (Universal-Curry-Pulver, Garam Massala). Im letzten Kapitel sind ebenfalls die für die indische Küche so typischen Beilagen zu finden (Raita mit gewürzter Ananas, Kokosnuss-Chutney, Okra-Raita mit Granatapfelkernen).
Probiert & Verputzt:

Sehr köstlich! Das Lammkaree was ich bekam wog 400 g, diese Menge schaffen zwei gute Esser locker, für 4 reicht es definitiv nicht. Mengen-Angabe im Rezept wäre hilfreich gewesen. Den Zucker im Chutney habe ich aufgrund unserer persönlichen Vorlieben auf 1 TL reduziert.
Kaschmir-Pickle mit Rettich und roter Bete

Mein Mann als Pickles-Fan war begeistert! P.S. ich habe das Rezept auf Haushaltsmenge reduziert und es deshalb einfach halbiert.

Senf-Brokkoli begleitet von einer klassischen Makhani (normalerweise eine sehr üppige Tomatensauce mit jede Menge Butter und Sahne drin), ist eine leichte und unkomplizierte Version eines Klassikers (Chicken-Makhani), dem die vegetarische General-Überholung gut getan hat!

Hier kommt jetzt das Alheilmittel für südindische Hausfrauen, wenn buchstäblich nichts mehr im Haus ist und das Haushaltsgeld keine großen Sprünge mehr zulässt….. Sehr würzig, aber auch mit Chili-Schärfe. Wer es damit nicht so hat, sollte die Menge an seinen persönlichen Geschmack anpassen. Wir essen wirklich gerne scharf und waren von der Vielseitigkeit der Mischung absolut angetan!
Praxis-Check:
Bei Restaurant-Kochbüchern kann es für Laien schwierig werden, weil die Rezept-Mengen nicht immer auf Haushaltsgröße heruntergebrochen werden. Hier hält sich das in Grenzen. Die Mengen werden erst bei den Pickles richtig üppig, sonst wurde brav alles heruntergerechnet. Dass das Urad-Dal eingeweicht werden muss, steht vorne im Glossar und schafft es leider nicht in die Rezepte. Wer nicht viel kocht, wäre sicherlich für einen Hinweis dankbar gewesen, wie lange diese eingeweicht werden sollen.
Fazit: Indien von einer ganz neuen spannenden und köstlichen Seite!
Ich möchte dieses Buch keinesfalls auf den Begriff „alltagstaugliche indische Küche“ reduzieren. Das ist schlichtweg zu kurz gesprungen, das trifft für einige der Klassiker-Interpretationen zu, ist aber definitiv nicht das Ziel dieses Buches. Es geht um eine erfrischend moderne und zugleich regionale indische Küche, wie wir sie in Europa noch nicht kennen lernen durften. Jedes Rezept hat das Potenzial einem einen ganz neuen und kreativen Blickwinkel auf die indische Küche zu eröffnen. Dieses Buch gehört in die Hände von Nachkochern, die genau das wollen, weil ihnen die Curry-House-Kitchen schon zum Hals raushängt. Es geht um jede Menge bisher nicht dagewesener kulinarischer Erfahrungen in Sachen Indien und nicht nur primär darum, Zeit oder Gewürze einzusparen. Da wo ein Rezept als alltagstauglich bezeichnet werden kann und das trifft genauso für den Senf-Brokkoli mit Makanhni-Sauce wie andere zu, ist diese Eigenschaft niemals das ausschließliche Ziel des Koches gewesen, er wollte seine Küche nur einfach nur frischer, aromatischer präsentieren! Und das macht jedes Rezept in diesem tollen Kochbuch zur indischen Küche so einzigartig. Weil ein Restaurant-Koch den Kochdeckel lüpft, sollte man ein wenig Erfahrung haben und auch mal was antizipieren können.
Herzlichen Dank für die Übersendung als Rezensionsexemplar!