Andreas Buhl: Heimat-Marmeladen
150 verführerische Rezepte mit heimischem Obst,
Gemüse, Blüten und Kräuter
Fotos: Lucas Guizo
Preis: 29,99 €
Andreas Buhl: Heimat-Marmeladen
150 verführerische Rezepte mit heimischem Obst, Gemüse, Blüten und Kräuter
Fotos: Lucas Guizo
Preis: 29,99 €
Go local – es lohnt sich!
Von Haus aus bin ich beim Thema Frühstück, eher der Typ Espresso to go, gemütliche Frühstücke sind für mich eher etwas für den späten Sonntag-Vormittag, der von mir früher oft nicht süß zelebriert wurde. Marmelade & Konfitüre aus dem Supermarkt waren für mich nie eine Verlockung! Aufgewachsen bin ich mit Frauen, die immer einen eigenen Garten bewirtschaftet haben und die die eingekochte Ernte aus diesem schön säuberlich in der Speisekammer im Keller aufreihten. Allerdings gehörte Marmelade kochen bei Mama und Oma nicht zum Programm, einen Obstgarten hatten wir nämlich keinen. Vielleicht habe ich deshalb bis in meine Vierziger gebraucht, bis ich mich zur Marmeladen-Köchin entwickelt habe. Die Veränderung bei mir setzte erst mit einem Wochenendhaus auf dem Land ein, dass zwar keinen großen Obstgarten hat, aber immerhin zwei betagte Obstbäume, die noch mein Schwiegervater gepflanzt hat. Bei zunehmenden Stress-Level im Job war ich in den letzten Jahren am Wochenende für einen realen und am Ende sehr greifbaren Output in Form von Gläsern mit leckerstem Pflaumen-Mus oder in Form eines schön pikant abgeschmeckten Apfel-Chutney immer sehr dankbar. Manchmal das gebe ich zu, landeten auch gekaufte Früchte im Einmach-Topf. Heute verarbeite ich jedoch sehr viel lieber und eigentlich ausschließlich reine Bio-Ware, entweder von unseren eigenen Bäumen oder aus Geschenktem, das über den Gartenzaun in meine Küche kommt und aus dem, was mir die Streuobstwiesen im Dorf und drumherum so anbieten.
Heimatbesuch und zurück mit Erdbeer-Marmelade aus der Tiefkühltruhe im Gepäck
Andreas Buhl hat sich mit Leidenschaft dem Marmeladen machen verschrieben. Aus seiner Faszination für Küche und Garten ist inzwischen eine Manufaktur geworden, in der er seine selbst gemachten süßen Aufstriche verkauft. Bevor der Hainburger sich ganz dieser Passion verschrieben hat, wurde er erst Koch und wechselte dann mit einer Weiterbildung ins Management von internationalen Spitzenhotels. Egal aus welcher Ecke der Welt kommend Andreas Buhl seiner Oma zu Hause einen Besuch abstattete, immer ist die alte Dame kopfüber in ihre Kühltruhe getaucht und hat es sich nicht nehmen lassen, ihm zum Abschied eine gefrorene Erdbeermarmelade mit zu gegeben. Oma Buhl hatte längst erkannt, dass die Haltbarkeit von Erdbeer-Marmelade begrenzt ist, sie hat die leidige Angewohnheit, nach 3–4 Monaten ihre frischrote Farbe in ein unschönes Rotbraun zu verändern und verliert dabei außerdem ihr köstliche Aroma.
„Als Kind kannte ich nur eine Sorte von Marmelade oder Gelee – nämlich die gute von Mama, in vielen verschiedenen Varianten, selbst gemacht aus den Beeren und Früchten des eigenen Gartens oder hergestellt aus wild gewachsenen Beeren, die wir im Wald oder auf dem Feld gesammelt hatten. Damals hatte ich mir eingebildet, dass alle Marmeladen so lecker schmecken würden …“
Erst als der Hainburger wieder in Deutschland sesshaft wurde hat er sich selbst regelmäßig an den Einkoch-Topf gestellt. Nein halt, nur aus Spaß an der Freude hatte er schon mal in seiner Londoner-Zeit Papaya-Marmelade gekocht. Was damals als Hobby und als Ausgleich zum Arbeitsalltag begann, entwickelte sich allmählich zu etwas Größerem….
Was ist drin?
Praxisbuch mit regionalem Anspruch!
Andreas Buhl hat sein Rezeptbuch zum Marmeladenkochen mit Listen für seine bevorzugten Bezugsquellen und vielen Tipps & Tricks und aus seiner langjährigen Praxis angereichert, sein Einführungs-Kapitel ist kompakt und erfüllt meine Erwartungen! Ganz egal ob es um das Herstellen des Marmeladen-Ansatzes geht oder wie man das Anbrennen im Einkoch-Topf konsequent verhindert, Buhl teilt sein Wissen und seinen umfangreichen Erfahrungsschatz. Und zwar so authentisch, dass ich nirgendwo das Gefühl habe, diese Einführung ist künstlich aufgeblasen und soll nur zum Rezeptteil überleiten.
Heimat im Glas plus ein paar wenige hochwertige Aromaten….
Vom „ Marmeladenmäään“ (so rufen seine Wochenmarkt-Kollegen den Hainburger) gibt es die stolze Anzahl von 150 Rezepten rund ums Thema Einkochen zu Entdecken. Für ein Kochbuch ist dies überdurchschnittlich viel, normalerweise bewegt sich der enthaltene Rezept-Schatz in Kochbüchern im Bereich von 70 – 100 Ideen. Sortiert wird hier erwartbar klassisch in die Kapitel „Bevor es losgeht“, „Beeren“ (Erdbeere mit Rhabarber, Felsenbirne pur) „Kernobst“ (Quitten-Holunder-Gelee, Mispel mit Rum), „Steinobst“ (Aprikose mit Amaretto), „Blüten, Kräuter u. Wildfrüchte“ (Löwenzahngelee, Wildkirsche pur, Hagebutte pur), „heimisch gewordene Exoten“ (Feige mit Rotwein, Kiwi pur), „Gemüse, Bier u. Wein, Säfte“ (Kürbis mit Orangensaft u. Ingwer, Rhabarber mit Holunderblüte, Zucchini mit Apfel, Holunderbeerensaft) bis sich ein Register nach Kategorien anschließt.
Der Fokus der Rezepte ist mehrheitlich saisonal, fügt jedoch hier und da ein paar hochwertige Veredelungs-Zutaten hinzu. Nein, Tonka-Bohne habe ich unter ihnen nicht gefunden, aber eine der 5 verschiedenen Erdbeermarmelade-Variationen benutzt Tahiti Vanille um die Beeren zum geschmacklichen Strahlen zu bringen und ein weiteres Rezept verwendet zum Aromatisieren getrocknetes heimisches Waldmeister-Kraut. Außerdem liebt Herr Buhl das Aroma von Rosenblüten aus dem eigenen Garten (Himbeere mit Rosenblüten, Rosenblüten in Weinbergpfirsich und Champagner). Das weitere Programm ist ein gelungener Mix aus puren Konfitüren (Brombeere pur, Birne pur, Sommerapfel pur), die sich geschickt mit Chichi zurück halten, Gelees (Himbeergelee, Apfelgelee, Gelee von roten Johannisbeeren, Quittengelee) und Musen (Pflaumenmus, Bratapfel-Mus o. Quittenmus) und einigen Kreationen, wo der Kick fürs Sonntagsbrötchen durch gut erhältliche Kontrast-Zutaten (Traube mit Zartbitterschokolade u. gerösteten Mandeln, Pflaume mit Rotwein und Zimt, Kirsche mit Zartbitterschokolade und Kirschwasser) kommt und die mit stimmigen Kombinationen begeistern.
Weniger ist mehr!
Beim Thema Konservierung hat der Experte eine klare Haltung und die lautet weniger ist mehr, in seine Marmeladen-Gläser soll so wenig wie möglich an Zusatzstoffen gelangen. Verständlich solche Marmeladen gibt es reichlich und überall zu kaufen. Buhl schwört auf Gelierzucker 1:1, er enthält im Gegensatz zu den reduzierten Mischungen keine künstlichen Zusatzstoffe. Geschmacklich und für den Gelier-Prozess, enthaltenen seine Rezepte deshalb oft einen deutlichen Anteil an Zitrone, Zitronensaft unterstützt außerdem die Gelier-Eigenschaften bei sehr reifem Obst. Im Umkehrschluss liegt der beste Moment zum Einkochen damit kurz vor dem Erreichen der optimalen Reife. Wer also mit Gelierzucker 2:1 oder höher einkocht, weil man seine Konfitüren trotz Zusatzstoffen, gerne mit weniger Zucker genießt, sollte nach meiner Erfahrung bei der Zugabe des Zitronensafts Vorsicht walten lassen. Ich selbst habe bei meinem Rezept-Check immer weniger Zitrone als angegeben verwendet.
Probiert & Verputzt:
Der Marmeladen-Macher kennt alle Tricks und schneidet die ungeschälten Früchte direkt am sperrigen Gehäuse ab, bevor er diese in Stücke teilt und anschließend im Schnellkochtopf (bei mir erledigte der nützliche Instant-Pot, den Job) kurz 10 Minuten weich dämpft. Anschließend wird alles durch die „Flotte-Lotte“ püriert und mit Zucker nochmals kurz sprudelnd aufgekocht, bevor das herrliche Mus im Glas landet. Und so macht die die Konservierung der sperrigen Quitte im Einmachglas nicht nur Sinn, sondern direkt Spaß!
Ich bin hin und weg vom Geschmack meiner ersten Brombeer-Marmelade komplett aus „Wildfang“! Die Kursänderung im Marmeladen-Topf habe ich schon im letzten Sommer konsequent umgesetzt: Bei mir kommt nur noch bestes Material hinein – oder wie Andreas Buhl es für sich definiert hat, ich fahre inzwischen nur noch auf Heimat-Marmelade ab! Endlich hat mir jemand, der weiß wie das am besten gelingt, sein Lieblings-Rezept für Brombeer-Marmelade verraten….
Ich weiß gar nicht wie viel Zwetschgen-Marmelade ich in wieviel Varianten schon gekocht habe? Unendlich sicherlich nicht, aber es waren sehr viele….Garten-Besitzer kennen das, entweder es plagt einen ein schlechtes Gewissen oder man plant den Urlaub um die Ernte herum. Früher war das ja anders, aber heute schätze ich es weniger exotisch im Marmeladen-Topf: Es braucht wirklich nicht immer Tonkabohne & Co, sondern einfach nur ein erprobtes Marmeladen-Rezept, dass den Charakter der Frucht hervorhebt und die Säure ein wenig in Schach hält. Dieses ist ebenso klasse wie unkompliziert! Nachmach-Empfehlung an alle, die Zugriff auf regionale Quellen haben!
Bei dieser Konfitüren-Kreation ergänzen sich die fruchtige Säure der Pflaumen und das Bittermandel-Aroma vortrefflich, inzwischen ist sie der Frühstücks-Liebling meiner Schwieger-Mama, die voll des Lobes war. Das Rezept von Andreas Buhl wandert direkt in meine Kladde mit Knaller-Rezepten für die Verwertung unserer eigenen Pflaumen-Ernte. – Nachmachen lohnt sich!
Fazit: Kompaktes Wissen und sehr, sehr viele Rezepte, die auf Saison und Regionalität setzen!
Hier haben wir es mit einem sehr gelungenen Destillat eines jahrelangen Erfahrungsschatzes am Einkochtopf zu tun. Der Marmeladen-Fachmann hat außerdem sehr viele bewährte Rezepte , Tipps & Tricks aus seiner Praxis in sein Kochbuch gepackt. Ein Buch für Praktiker, Genießer, Hobbygärtner, die viel Geschmack statt viel Exotik im Marmeladen-Glas vorziehen und dabei auf beste regionale Zutaten als Hauptzutat setzen.
Die Wahl des Titels „Heimat-Marmeladen“ passt perfekt und zeigt schon vom Start weg, was diesem Marmeladenmäään“ am Wichtigsten ist, viel Geschmack und unkomplizierte Rezepturen. Mich hat jedes probierte Rezept, besonders wegen der vielen Tipps & Tricks von Andreas Buhl von seiner Nützlichkeit für meine Vorratskammer überzeugt und genauso sollen meine Lieblings-Konfitüren schmecken!