
Nicky Sitaram Sabnis: Nickys Veda
Verlag: Irisiana
Preis: 24,99 €
Mehr als „nur“ ayurvedisch kochen lernen!
Meine erste Begegnung mit Nicky Sitaram Sabnis liegt schon eine Weile zurück, ich bin beim Durch-Zappen in einer Samstags-Talkshow auf ihn gestoßen und war fasziniert von diesem quirligen zierlichen Mann, der eine ungeheuer positive Ausstrahlung vermittelte und hier und da mit breitem Bayerisch aufwarten konnte.
Das war im Januar 2015 und heute liegt nun sein Buch „Nickys Veda“ endlich vor mir und ich freue mich auf eine spannende und unterhaltsame Begegnung mit der ayurvedischen Lehre und der ayurvedischen Kochkunst.
Wie geht es los?
Nicky lässt es schon zu Beginn so richtig krachen, orange-roter Einband, dazu Schriften in Türkis und prominent der Autor auf dem Titel, der uns mehr als 150 einfache und authentische Rezepte für jeden Geschmack verspricht.
Und zum Glück geht es so weiter, denn auch die Textseiten sind zum Teil in kräftigen Farben und doch harmonisch gestaltet zusammen mit den farblich abgesetzten Bordüren und den ästhetischen Info-Grafiken vermitteln sie einen fröhlichen Gruß aus dem Land der tausend Farben. Das Essen ist gekonnt in Szene gesetzt, auch schön hergerichtet, aber keinesfalls überstylt. Fotos vom Autor und seinen Mitstreitern machen das Buch lebendig, authentisch und vor allem sehr kurzweilig!
Was ist drin?
„Indien ist mei Land, aber Bayern ist mei Heimat“ – sagt Nicky Sitaram Sabnis über sein Leben und seine Wurzeln. Ja mei, wenn das so einfach ist mit der Integration, da werden es die politischen Schwarzseher über kurz oder lang aber schwer haben.
Nicky Sitaram Sabnis, Ayurvedakoch im Kloster Frauenwörth, schafft es jedenfalls spielend, den Spagat zwischen 2 Kulturen zu bewältigen, die gegensätzlicher fast nicht sein könnten. Eine Brücke zwischen den Kulturen schlägt er auch in seinem neuen Kochbuch. Auf unkonventionelle und sehr persönliche Art zeigt der bayerische Hindu, wie die traditionelle Küche des Ayurveda in die westliche Alltagswirklichkeit passt.
„Nickys Veda“ ist eine Einladung, gut zu essen – und nebenbei auch seiner Gesundheit etwas Gutes zu tun, Spaß ist dabei nicht nur erlaubt, sondern sehr erwünscht, aber es wird auch nicht verheimlicht, das Kochen auch ein wenig Arbeit macht.
Neben vielen geling sicheren und alltagstauglichen Rezepten geht es auch um den Autor selbst im Buch, um sein Leben, das, was er gelernt und erlebt hat und die Menschen, die ihn begleitet haben und zum Teil immer noch an seiner Seite sind. Nickys gesammelte Weisheit quasi – oder „Nickys Veda“, wie es auf gut indisch heißt.
Wir lernen Wissenswertes über die Grundlagen des Ayurveda und erfahren was die unterschiedlichen Doshas ausmacht, die nicht nur den Körper und seine Funktionen steuern, sondern auch unsere geistigen und psychischen Anlagen, Fähigkeiten, Stärken und Schwächen haben mit der individuellen Ausprägung der Doshas zu tun.
Vata, stammt aus dem Sanskrit und bedeutet ‚Luft, Wind‘. Es ist verantwortlich für alle Bewegungsabläufe im Körper, sowohl physische als auch psychische. Vata steht für das Prinzip der Leichtigkeit und Veränderung.
Pitta wiederum bedeutet „Galle“ und besteht aus den Elementen Feuer und Wasser. Es ist für alle biochemischen Aktivitäten verantwortlich, inklusive der Erzeugung von Wärme. Pitta hat einen Bezug zur Sonne und das Grundprinzip ist die Umwandlung. Es beeinflusst den Stoffwechsel. Pitta ist heiß und trocken.
Kapha (ausgesprochen ‚Ka-pha‘) besteht aus den Elementen Wasser und Erde, das Grundprinzip ist die Trägheit. Es steht für Stabilität, das Nährende, Fürsorgliche, Mütterliche und ist auf körperlicher Ebene für alles Feste wie Knochen, Zähne und Nägel zuständig. Kapha ist kühl.
Außerdem wird ein sehr nützlicher Test zur Selbsteinschätzung angeboten, der dabei hilft, den persönlichen Konditionstyp zu bestimmen.
Diese Typologie ist bei weitem kein Selbstzweck! Gesund bleibt ein Mensch, wenn die Elemente im Einklang sind, überwiegt eine Konstitution, kommt es zu Problemen. Ein träger Kapha-Typ mit langsamer Verdauung, der überwiegend kalt, fettreich und schwer verdaulich isst, bekommt auf lange Sicht gesundheitliche Probleme, das leuchtet auch demjenigen ein, der Ayurveda, unberechtigter Weise, als modernen Esoterik-Quatsch abtut.
Tatsächlich haben wir es hier aber mit einer über 5000 Jahre alten Lehre zu tun, die den Menschen ganzheitlich sieht und viel mehr zu bieten hat, als ein stylisches Ayurveda-Resort, das man dann über Neckermann bucht. Auch die industriell hergestellte exotische Teemischung, die wir im praktischen Teebeutel im Supermarkt kaufen können, hat damit sehr wenig zu tun, denn Ayurveda ist eine Lebenseinstellung, zu der neben verschiedenen Massage- und Reinigungstechniken, neben Yoga und Pflanzenheilkunde auch die Ernährung und der Genuss liebevoll zubereiteter Speisen zählen. Und hierzu möchte das schöne Buch von Nicky Sitaram Sabnis nach der sehr detaillierten und lehrreichen Einführung in die Grundlagen des Ayurveda auf fröhliche und undogmatische Weise anregen.
Ayurvedische Küche ist um Ausgleich bemüht, deshalb sollen bei jeder Mahlzeit alle sechs ayurvedischen Geschmacksrichtungen (Rasa) zu sich genommen werden. Diese sind süß, sauer, salzig, scharf, bitter und herb (bzw. zusammenziehend). Um dieses Prinzip zu erleichtern und alltagstauglich zu transformieren, arbeitet Nicky mit Gewürzmischungen. Diese Mischungen und eine Zusammenstellung von Rezepten für Basis-Saucen, Blitzgerichte sowie den nützlichen Küchentipps für ein entspanntes Kochen werden uns zu Beginn des Rezeptteils neben anderen Basics, die man so braucht, erstmal erläutert. Die nützlichen Gewürzmischungen, sorgen dafür, dass die ayurvedischen Gerichte mit überschaubaren Zubereitungszeiten von uns schnell auf den heimischen Teller gezaubert werden können.
Der Autor ermuntert uns ausdrücklich diese selbst herzustellen, als sie online zu kaufen, das macht viel mehr Spaß und günstiger ist es auch! Recht hat er und lobenswert sein ehrliches Anliegen, so mancher Spitzenkoch hätte hier doch gleich seinen Onlineversand als bevorzugte Quelle protegiert, den Nicky natürlich auch hat.
Weiter geht es mit Rezepten für Chutneys und Dips, den Muntermacher am Morgen (Frühstück) und Rezepten für Suppen, Brot und Snacks. Sehr angenehm und überzeugend, dass das Thema Resteverwertung hier auch angesprochen wird, denn Ayurveda bedeutet auch ein schonender Umgang mit sich selbst und der Umwelt und hat das überhaupt nichts mit dem Life-Style-Hype zu tun der heute mancher Ortens darum gemacht wird
Die warmen Hauptspeisen sind in vegetarische Gerichte mit Getreide oder Reis, mit Hülsenfrüchten oder mit Gemüse unterteilt. Aber auch Fisch und Fleischliebhaber kommen hier auf ihre Kosten, Nicky hat wirklich an alle gedacht und natürlich bekommen wir auch Nachtisch. Sehr schön, dass ein Extra-Kapitel der Kinderküche gewidmet ist.
Bei den Rezepten gibt es gibt viel indisch-ayurvedisches, und einiges, was die heimischen Geschmäcker erfreuen wird, denn es wurde nach Ayurveda-Kriterien umgearbeitet.
Die Rezepte haben bei mir gut funktioniert, man sollte aber jedes Rezept gründlich lesen und hier und da sich mutig auf die eigene Einschätzung z. B. bei Garzeiten und Mengen verlassen. Begeistert war ich besonders über die sehr harmonische geschmackliche Komponente aller nachgekochten Gerichte, das war wirklich klasse!
Auch der Ansatz hier regionale Gerichte so umzuarbeiten, dass diese Ayurveda konform sind, nimmt mich sehr für das Buch und den Autor ein und beweist, dass er sein Anliegen ein alltagstaugliches Buch über Ayurvedische Küche zu schreiben, sehr ernst genommen hat!
Wer ist der Autor?
Nicky Sitaram Sabnis kam 1959 in Kanpur (Indien) zur Welt. Er arbeitet seit 1978 als Ayurveda-Koch. Nach einer persönlichen Krise kam er 1993 nach Deutschland, wo er seit 1998 die Ayurveda-Seminarküche in der Abtei Frauenwörth auf der Fraueninsel leitet. Hier bietet er auch regelmäßig Wochenend-Kochkurse zur ayurvedischen Ernährung für Erwachsene, Kinder und Behinderte an. Er ist Gründer des B Ayurveda Centrums für Ayurveda, Yoga und Indische Kultur sowie des Laxmi- Ayurveda-Instituts für Aus- und Weiterbildung in Gstadt. Der erfolgreiche Autor mehrerer Bücher zur ayurvedischen Ernährung wohnt mit seiner Frau Gabi in Rimsting am Chiemsee. Unter dem Motto „Der Hindu von der Fraueninsel“ drehte das Bayerische Fernsehen 2008 eine Lebenslinie über Nicky Sabnis.
Lieblingsgerichte:
Auberginen-Chutney
Blumenkohl-Lamm-Suppe
Kräuter-Wadi (Polenta-Kräuter-Würfel)
Dahi-Bhalla (frittierte Linsen Nockerln)
Brokkoli auf Couscous
Mumbai Dal (Linsen-Curry)
Gemüse in Kokos
Lachs à la Nicky
Shepherd´s Pie (überbackener Kartoffel-Püree-Auflauf)
Aber es gibt so vieles das wirklich lecker aus sieht und unbedingt noch probiert werden muss!
Die meisten Zutaten lassen sich im gut sortierten Supermarkt besorgen, denn Kreuzkümmel und Kurkuma und Ingwer sind dort wahrlich keine Exoten mehr, was man nicht findet, gibt es bei Online-Versendern oder auch im indischen „Tante-Emma-Laden“, die in vielen Großstädten heute das Angebot stark erweitern. Für mich als Frankfurterin wirklich überhaupt kein Problem!
Was ist besonders?
Nicky ist ein echter Experte für eine alltagstaugliche ayurvedische Küche, er bekocht schließlich schon seit Jahren Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen ihre Ernährung umstellen wollen und müssen. Er gibt Kochkurse und weiß natürlich, dass aller Anfang schwer ist, denn das Feedback, was er zu hören bekommt, ist nicht immer nur die pure Begeisterung, wie er selbst augenzwinkernd in seinem Buch erwähnt. Kinder und Ur-Bayern, die sonst mehr der Leberkäs-Semmel-Fraktion angehören, brauchen halt ein wenig länger, bis sie zu Samosa-Fan werden. Aber wenn das jemand schafft, dann kann ich mir das nur bei Nicky vorstellen!
Er praktiziert bei seinen Rezepten, deshalb auch das Tri-Dosha-Prinzip, das stimulierend und ausgleichend für alle Doshas wirkt. Alle im Buch vorgestellten Rezepte sind so ausgelegt und deshalb sind diese auch perfekt geeignet, wenn Menschen mit unterschiedlichen Dosha-Ausprägungen am Tisch sitzen.
„Nickys Veda“ ist der beste Beweis wie ein alltagstaugliches ayurvedische Kochbuch sein sollte, gut fundiertes Wissen gepaart mit einem praktizierbarem und alltagstauglichem Konzept und Rezepten, wie man seine Ernährung erfolgreich umstellen kann, ohne auf heimische Geschmäcker zu verzichten.
Humor und eine authentische sympathische Persönlichkeit schaden da nichts, Dogmatismus oder ideologische Verbohrtheit schon.
Fazit: Für mich ist Nicky Sabnis Buch ein sehr gutes Buch, das den Start in eine ayurvedische Ernährung kompetent begleiten kann und vor allem mir viel Spaß gemacht hat!