
Deb Perelman: Eine kleine Küche in New York
Berlin Verlag
Preis: 29,90 €
Rufen Sie noch den Lieferdienst oder kochen und genießen Sie schon?
Als ich mich neulich mit meiner Schwägerin über eine gemeinsame Freundin unterhielt, die in einem kleinen Dorf auf dem Land lebt und seit mehr als 20 Jahren, täglich für sich und ihren Mann – und früher auch die beiden Töchter – noch regelmäßig nach der Arbeit kocht, meinte sie nur lapidar, Monika kocht halt, weil essen gehen, dort einfach teurer ist als bei uns in Berlin. Hier ist die Auswahl an leckeren Restaurants und Lieferdiensten so groß und außerdem auch vergleichsweise sehr erschwinglich, wozu sollte ich mich da regelmäßig nach dem Job an den Herd stellen? Ja, warum eigentlich, wenn die Auswahl zwischen Pizza, Falafel oder Co. nicht nur groß ist, sondern nahezu unbegrenzt rund um die Uhr zur Verfügung steht.
Platz ist in der kleinsten Küche – oder im Backofen bewahrt man Pullis auf!
Deb Perelman lebt mit Mann und Kind in New York. Jeder der Fotos von ihrer Küche auf ihrem Blog (Smitten Kittchen) sieht staunt erstmal nicht schlecht, denn diese ist winzig. Dass dort mehr als der Knopf der Espresso-Maschine morgens getätigt wird, kaum vorstellbar. Und doch wird schnell klar, die Frau kocht und das nicht nur Kaffee. Auf dem Cover des Buches erkenne ich, hier hat jemand jeden Zentimeter optimal genutzt, Töpfe, Siebe und allerlei anderes sperrige Gerät zieren die Halterung über dem Küchenfenster, wie bei anderen Menschen die Küchengardine und machen auch den Nachbarn gegenüber deutlich, hinter diesem Fenster wohnt jemand, der tatsächlich auch in einer Stadt wie New York noch selbst am Herd steht. Auch wenn das längst nicht mehr für viele Menschen in Big Apple gilt, als Deb nach New York zog, erklärte ihr eine Freundin all Ernstes, dass sie im Backofen Pullis aufbewahrt…..
Leidenschaft und Lust auf Genuss macht einfach den Unterschied!
Wer jetzt denkt Deb geht niemals mit ihren Mann essen, der irrt gewaltig, Klischees sind hier fehl am Platz! Ihr macht Essen einfach Spaß, wenn sie mit der Familie auswärts isst, dann „wildert“ sie mit Vorliebe auf dem Teller ihres Mannes und lässt ihn immer auch von ihrer Wahl kosten, stets verbunden mit der Frage, was meinst Du, kann man das noch besser machen, was fehlt hier, um es wirklich perfekt zu machen?
Was ist drin oder hier meint es jemand richtig ernst!
Aus Deb Perelmans Passion für gutes Essen ist nicht nur einer der erfolgreichsten Food.-Blogs weltweit geworden, sondern auch ein tolles Buch mit geling sicheren Rezepten, für Frühstück, Salate, Sandwiches, Tartes und Pizzen, vegetarischen und nicht vegetarischen Hauptspeisen, Desserts und Süßem sowie Kleingebäck, Pies und Kuchen. Die Auswahl ist natürlich auch sehr amerikanisch geprägt, es gibt sehr viele Frühstücks-Rezepte, die locker auch für ein Brunch mit lieben Menschen taugen. Salate werden auch schon mal mit Mayonnaise angemacht und Süßes und Kuchen gehören eindeutig zu den Favoriten der Autorin. Hier geht es aber immer um geschmacklich und handwerklich sehr gut gemachte Speisen, das ist niemals die Frage, Kalorien sollte man dabei aber nicht zählen.
Auch zu Partysnacks und Getränken fällt der Autorin einiges ein, nicht nur Rezepte, sondern auch wie man als Gastgeber stressfrei über die Runden kommt. Zu guter Letzt gibt sie noch viele nützliche Tipps, was in einer Küche nicht fehlen sollte und auf was man vorerst verzichten kann.
Mit einer Genießerin und passionierten Tüftlerin auf einen Espresso!
Die Bloggerin geizt nicht mit Text, denn zu jedem Rezept hat Deb eine kleine Geschichte parat, als würde sie mit uns auf einen Espresso in der Küche sitzen, erzählt sie, warum es ihr gerade dieses Rezept angetan hat und warum sie glaubt, es geht noch besser. Wer will, springt hier einfach weiter, aber ich mag diese sehr persönliche Einführung, das macht jedes Rezept zu einem ganz besonderen Erlebnis, nicht nur geschmacklich.
Zutaten werden übersichtlich links oder rechts in separaten Kolumnen aufgeführt. Hier und da immer mal ergänzt mit kleinen Anmerkungen oder auch Tipps zur Aufbewahrung oder Alternativen. Deb ist mit Akribie bei der Sache, deshalb wirken die Zubereitungsschritte erstmal sehr detailliert. Die Rezepte sind aber nicht kompliziert, sondern immer sehr reflektiert und nachvollziehbar für den Leser beschrieben.
Und das obwohl Deb weder jahrelang Kochkurse bei Spitzenköchen besuchte oder das familieneigene Chili-Rezept bereits in fünfter Generation kocht. Bevor sie das Kochen zu ihrem Beruf machte und 2006 mit ihrem Blog startete, arbeitete sie als Schichtleiterin in einem Plattenladen, als Softeisverkäuferin, Kunsttherapeutin und IT-Journalistin. Sie hat einen kleinen Sohn und kann sich noch gut erinnern, wie sie 5 Wochen nach seiner Geburt, kaum etwas vernünftiges zu essen bekam, bis sie, den kleinen Mann überlisten konnte, seine Äuglein für einen kurzen Moment zu zumachen, um das Rezept eines Kochs, aus der „Gramercy Tavern“ für Pasta mit Blumenkohl nach zu kochen. Deb gelang es zum Schluss, unter Aufbietung all ihrer Selbstbeherrschung, sogar noch eine Mini-Portion für den stolzen Vater zu reservieren.
Eine bodenständige Köchin, die uns gut kennt!
Auch wenn man nicht gerade den Balanceakt zwischen Baby und Küche zu bewältigen hat wurde Deb Perelman schnell klar, dass dieses Rezept wenig geeignet ist für Leute, die unter Zeitdruck stehen. Als sie ein Jahr später noch einmal darauf zurückkam, nahm Deb sich vor, diese wunderbare Kombination von Aromen zu einem Gericht weiterzuentwickeln, das weniger arbeitsintensiv ist und mehrere Personen davon locker satt werden können. Das Ergebnis ihrer Bemühungen lässt sich verblüffend schnell zubereiten. Man braucht keine Knoblauchzehen zu schälen und zu zerkleinern oder Mandel zu hacken. Der Blumenkohl bleibt roh und die meiste Arbeit wird von der Küchenmaschine erledigt, man muss im Grunde nur ein wenig rühren und mischen, um am Ende ein frisches, leichtes Herbstgericht zu erhalten. Wer keine Lust auf Nudeln hat, streicht dieses Pesto einfach auf einen mit Olivenöl beträufelten Toast, ähnlich wie südfranzösische Olivenpaste (Tapenade).
Welche Helfer werden wirklich gebraucht – die Frau denkt praktisch!
Kennen Sie die Kochbücher, die gleich auf der zweiten Seite, eine perfekte Ausstattung einfordern. Bevor es losgeht, wird ein Reisgarer oder Pizzastein benötigt, denn ohne, so wird uns suggeriert, gibt es kein perfektes Ergebnis. Oh nein, das wollen wir nicht riskieren und so ziehen am Ende nicht nur der Reiskocher und der Pizzastein bei uns ein, nein, es muss auch noch eine Eismaschine sein. Gibt es deshalb häufiger Pizza, Iwo, meistens landen wir dann doch beim Lieferdienst, der Pizzastein, wo war der gleich noch mal und ja natürlich der sollte mindestens eine Stunde vorher aufgeheizt werden. Pizzastein und Pizzaschaufel sind in den Augen von Deb Perelman nützlich, aber letztendlich geht es auch ohne direkt auf dem Blech. Und zu guter Letzt: Gute Pizza passt sich Ihrem Zeitplan an und nicht umgekehrt. Über die Jahre hat Deb für Pizzateig zwei verschiedene Herangehensweisen entwickelt. Der eine Teig ist innerhalb 45 Minuten backfertig, das liegt an dem relativ hohen Verhältnis von Hefe zum verwendeten Mehl. Passionierte Brotbäcker mögen jetzt stöhnen, aber für Familie Perelman hat sich dieses Rezept in der Praxis bewährt, der Teig ist perfekt: elastisch und knusprig zugleich. Alternativ dazu schlägt die Autorin eine zweite Herangehensweise vor, bei der der Teig vorbereitet und über Nacht oder während wir im Büro sind, im Kühlschrank reifen kann. So können wir selbst entscheiden, was für uns im Moment, am besten passt.
Die Sache mit dem Tomatenmark!
Großartige Fehler konnte ich nicht feststellen, auch wenn mal eine Zutat bei der Zubereitung nicht auftaucht, aber hey das ist vielleicht nicht optimal, macht aber aus einem guten, konzeptionell sehr guten Kochbuch, kein schlechtes Buch. Da können wir durchaus großzügig sein. Beim Rezept für das „Jumbosandwich mit Ratatouille“ sollen aber 250 g. Tomatenmark bzw. Tomatensauce aus der Dose verwendet werden, bitte ignoriert einfach das Tomatenmark, die Menge funktioniert niemals, hier scheint bei der Übersetzung einfach was schief gegangen zu sein, denn bei anderen Rezepten war die Angabe hierfür plausibel. Tomatenmark, wie wir es kennen, gibt es scheinbar in den USA nicht in dieser konzentrierten Form, deshalb haben auch viele Übersetzungen da ihre Schwächen. Hier war da zumindest die Tomatensauce dabei, dass es eigentlich jeden erfahrenen Küchenbenutzer geradezu anspringen musste, dass hier was nicht stimmen kann. Mir ist es leider aber auch schon in anderen Büchern begegnet und das ohne weitere Alternative. Wenn Übersetzer selber hier keine Erfahrung haben, scheint das leider gelegentlich mal vorzukommen.
Fazit: Das Buch gehört definitiv in jede Küche! Leckere Rezepte, die immer wieder optimiert wurden gepaart mit vielen Tipps und Tricks einer echten Tüftlerin, die zudem eine von uns ist, ohne Küchenbrigade oder Gerätepark im Hintergrund. Das alles ersetzt Deb Perelman mit Leidenschaft und Tüftelei, so dass wir getrost auf Firlefanz verzichten können und deshalb ist dieses Buch nicht nur wertvoll, sondern auch längst überfällig! P.S: Dieses Buch wird an Weihnachten als nett verpacktes Geschenk, seinen Weg in die Hauptstadt antreten, mal sehen, ob ich da nicht doch jemand vom Gegenteil überzeugen kann.
Vielen Dank für die Übersendung eines Rezensionsexemplars!