Alexander Huber: Dahoam: Bayerische Wohlfühlküche
Fotos: Thomas Pfeiffer
Preis: 29,95 €
Zurück in den Biergarten…..
Es ist zwar schon ein paar Jährchen her, aber ich habe Mitte der 80ziger ein paar Jahre in München direkt hinter dem Viktualien-Markt gelebt. Als gebürtige Norddeutsche war ich anfangs sehr voreingenommen, passen Biergarten-Romantik, und ein recht offener und vor allem sehr direkter Menschschlag überhaupt zu meiner DNA? Meine Zweifel erwiesen sich doch recht schnell als unbegründet, in die Biergärten und die bayerische Wirtshaus-Küche habe ich mich tatsächlich sehr schnell verliebt und kehre seitdem sehr gerne zum Genießen nach Bayern zurück. Dennoch stand bis vor kurzem kein bayerisches Kochbuch in meinem Kochbuch-Regal, vieles war mir trotz toller Fotos von Land & Leuten bei den Rezepten einfach zu belanglos. Nach einem Kurzbesuch im September in Bayern und einem lauen Biergarten-Abend im Regensburger-Umland, beschloss ich das muss sich ändern… Die bayerische Wohlfühlküche vom Sternekoch Alexander Huber versprach Genuss und eine eigene Handschrift, die mir bei neuen Kochbüchern extrem wichtig geworden ist.
Wer kocht?
Alexander Huber ist ein richtiger Wirtshausbub, der in der heimischen Gaststube des Huberwirt groß wurde. Nach seiner Ausbildung als Koch arbeitete er in exzellenten Restaurants wie dem Barreis und dem Tantris. Zusammen mit seiner Frau Sandra führt er das Wirtshaus Huberwirt in Pleiskirchen, das seit 2013 mit einem Stern ausgezeichnet ist, in der 11. Generation.
Dahoam ist da wo es am besten schmeckt!
“Dahoam heißt Heimat, und diese verbinde ich nicht nur mit der ländlichen Schönheit und mit all ihren Gegebenheiten, sondern insbesondere mit der bayerischen Kulinarik – ganz egal ob Sonntagsbraten, Brotzeit im Biergarten oder Omas Gerichte. Ich habe die bayerische Küche von Kindesbeinen an aufgesaugt wie ein Schwamm, und ihre Rezepte sind mir in Fleisch und Blut übergegangen.“ – Alexander Huber
Was ist drin?
Quer durch die bayerische Küche plus Updates fürs Koch-Know-How
90 seiner Wirthaus-Rezepte hat der Sterne-Koch aus der Nähe von Altötting in sein bayerisches Kochbuch gepackt, die Sortierung ist klassisch: mit Tafelspitzsülzchen u. Kräutervinaigrette oder einem Schwammerl-Aufstrich wird die bayerische Brotzeit lecker und ambitioniert zelebriert. Weiter geht es mit Suppen & Eintöpfen (Rindssuppe mit verschiedenen Einlagen, Hendlsuppe mit Nudeln & Wurzelgemüse, Grüne Kerbelsuppe mit Schmortomaten), Fisch & Fleisch (Krustenschweinebraten mit Krautsalat, Hendlkeulen aus dem Backofen mit Tomatensalat oder im Wurzelsud pochiertem Waller auf Krautfleckerl) und Süßem (Rotweinkuchen mit Schokolade, Zwetschgendatschi, geschmorter Apfel mit Streuseln & Karamellsauce), die als ehrliche und handwerklich gut ausgearbeitete Rezepte stets mit Twist serviert werden.
Wirtshaus-Klassiker authentisch und richtig gut!
Schon beim ersten Durchblättern, bin ich erstaunt und angetan, diesem Spitzenkoch geht es – wie vielen Profis – in der Küche natürlich auch ums Anrichten oder Neu-Deutsch ums „Pimpen“ seiner Kreationen, damit kann man den Genuss noch mal deutlich steigern, ich habe jedoch immer wieder festgestellt, auch ohne diese zusätzlichen Bausteine, ist alles was ich probiert habe, ziemlich, ziemlich gut, mit belangloser und austauschbarer Gasthof-Küche haben seine Rezepte absolut nichts zu tun!
Das Gute auf unseren Tellern kam durch normale aber qualitativ hochwertige Zutaten, Erfahrung und Kreativität zustande. Dabei ist keines von Alexander Hubers Rezept-Ideen in Stein gemeißelt, im Abspann gibt es immer wieder viele Tipps & Tricks und außerdem schlägt mir der Profi kundig Alternativen bei den Zutaten vor. Ich lerne vom Pleiskirchner die besten Semmelknödel herzustellen, die es in meiner Küche je gegeben hat und das obwohl ich seit mehr als 30 Jahren ein Lieblings-Rezept dafür hatte und die Knöderl sehr häufig auf unserem Tisch stehen. Eine kleine Anmerkung habe ich tatsächlich dazu: In Bayern sind Bäckereien schon lange nachhaltig unterwegs, Knödelbrot vom Vortag kann man oft direkt beim Bäcker mitnehmen. In Frankfurt schwöre ich inzwischen auf die Semmeln oder noch besser das Toastbrot von gestern aus dem Angebot des Lieblings-Bäckers. Die verwendete Menge an Milch (zum Einweichen) richtet sich immer an der Trockenheit des Brotes aus und sollte deshalb situativ angepasst werden. Wer es mit frischem Brot probieren will muss damit erst eine Trockenrunde im Backofen drehen. Und nein das Toastbrot aus dem Supermarkt, ist die Mühe nicht wert, bitte, bitte nicht, solche Knödel verdient kein „Gerne-Esser“!
Kreativ & modern, nachhaltig & regional
Dieses bayerische Kochbuch bietet zudem eine ansehnliche Anzahl an vegetarischen Haupt-Gerichten (Nudelfleckerl mit Kraut & Wurzelgemüse, Tomatenreis mit jungem Mangold & Buttersauce, pikanter Brotauflauf mit Zwiebeln), etwas für die Speisekammer (eingelegtes & gepickeltes Gemüse, Zwetschgenröster) und ein paar zeitgemäße saisonale Variationen (Tomaten-Zucchini-Eintopf mit Muschelnudeln). Alex Huber lässt es sich nicht nehmen, eine große Gemeinde an seinen Tisch einzuladen, bei ihm sitzen Genießer, Heimatverbundene, aber genauso Alltagskocher (Oxenaugen mit Rahmspinat), die es richtig gut wollen, an einem Tisch.
Kochschule & Grund-Rezepte
Abschließend verrät der Profi-Koch seine Lieblings-Beilagen und Grundrezepte, erneut garniert mit viel Know-How, wie man die bayerischen Klassiker (Serviettenknöderl, Blaukraut) entscheidend verbessern kann. Die vielen step by step-Fotos helfen dabei sehr!
Probiert & Verputzt:
Genauso stelle ich mir den bayerischen Käse-Aufstrich vor, perfekt würzig und schön cremig. Beide Aufstriche zu kombinieren macht Sinn und stellt zudem Vegetarier bei einer Brotzeit nicht ins Abseits.
Bayerisch Kraut
Ein Klassiker, der in keinem bayerischen Kochbuch fehlen sollte, Hubers Kraut wird mit Essig und ein wenig Schweineschmalz am Ende so gut, dass mein Mann davon total begeistert war!
Pfifferlingsknöderl mit Schnittlauchsauce & Rahmbrokkoli
Mit Abstand das Gericht, für das ich am längsten in der Küche stand. Die Pfifferlinge dafür kamen direkt aus dem Wald. In dieser Reihenfolge braucht man in jedem Fall einen kleinen Snack bis zum tollen Finale. Ich habe mit dem Rezept außerdem gelernt, dass es für eine sehr gute Konsistenz bei den Knöderl Sinn macht, ein Drittel der Eier als locker gebratenes Rührei hinzuzugeben. Natürlich kann man die Eier auch roh dazugeben, dann erhält man jedoch später eine etwas festere Konsistenz. Ob das feine Aroma der Pilze wirklich so viel Aufwand braucht, entscheidet jeder selbst. Ich fand die Pfifferlings-Knödel trotz des geforderten Einsatzes klasse, mein Mann war sich nicht ganz sicher, die grüne Schnittlauch-Sauce dazu hätte ihm für zu Hause schon gereicht.
Hubers Wurstsalat mit Emmentaler wird perfekt mit einer essigwürzigen Sauce (die Lake der eingelegten Cornichons macht sie sogar noch pikanter!) kombiniert und damit wird das mächtige in ihm perfekt kontrastiert. – neues Lieblings-Rezept!
Essigknöderl mit Zwiebeln & Speck
In vielen bayerischen Wirtshäusern ein klassisches Restessen, Hubers Ausarbeitung überzeugt mit stimmigen Details, die Vinaigrette, wird gekonnt mit süßem & scharferm Senf, Kümmel, Meerrettich, Malzbier und Essig abgeschmeckt. Der Clou ist aber ganz klar, ein wenig ausgelassener pürierter Speck in ihr – sehr überraschend und sehr gelungen!
Der Sterne-Koch weiß genau, wie man die perfekt und „sau- guad“ hinbekommt. Es waren tatsächlich nicht die ersten meines Lebens, aber sicherlich die Besten und der knackige Spitzkohl-Salat eine willkommene Ergänzung dazu! Es mag zwar zunächst ungewöhnlich sein, aber ein bisschen Harzer Käse in den Knödeln sorgt für noch mehr Geschmack u. ähnelt dem vielerorts verwendeten Graukäse in klassischen Rezepten sehr. Vielen Dank für den Tipp, Herr Huber!
Fazit: Bayerische Klassiker und mehr at it’s best und mit Zeit als Hauptzutat!
Der Autor erklärt in seinem Vorwort vortrefflich, was seine Dahoam-Küche ausmacht: es sind feine, aber genauso einfache und manchmal etwas »hemdsärmelige« Rezepte dabei, welche meist ein wenig Küchenarbeit und Zeit bedeuten. Besonders die Zeit ist oft eine Hauptzutat für das beste Kochergebnis. Dem kann ich nur zustimmen, dieses Kochbuch begeistert mich in vielen Aspekten: es wird uns wirklich viel geboten und es gibt eine erfreuliche Bandbreite und Variation bei seinen Rezepten. Wer jedoch auf spannende Details keinen großen Wert legt, sollte vielleicht noch mal überlegen, was für ihn das Wichtigste beim Kochen ist? Für mich ist es ein tolles und modernes Kochbuch nicht nur für Fans der bayerischen Klassiker geworden, auch wenn hier sein Schwerpunkt liegt: Ich habe mich nie bei einem Sterne-Koch so gut betreut gefühlt und nicht nur Rezepte erhalten, sondern sogar einen kleinen Kochkurs in Buchform bekommen, den ich neben den außergewöhnlich guten Rezepten und perfekten Ergebnissen, absolut nicht missen möchte!