Simon Bajada: Die Baltische Küche

Simon Bajada: Die Baltische Küche

Eine kulinarische Reise durch Estland, Lettland und Litauen

Verlag Dorling Kindersley

Preis: 24,95 €

Kulinarische Einladung ins Baltikum

Worum geht’s – oder warum ich baltisch kochen will?

2017 war ich zu einem verlängerten Wochenende in Riga und habe mich sofort in die lettische Metropole verliebt. Damit Ihr Euch ein bisschen einstimmen könnt auf Land und Leute und auch visuell einen kleinen persönlichen  Eindruck vom Baltikum bekommt bekommt, führe ich Euch gerne mit einer kleinen Tour, durch meine Lieblingsstadt an der Mündung der Ostsee.

Das ist Riga….

Wer Hamburg und Lübeck mag, der wird sich auch in Riga verlieben, dessen hanseatische Vergangenheit ist unübersehbar präsent, außerdem  grüßt ein weiter herrlich blauer Himmel (war bei uns jedenfalls mitgebucht….), eine frische Brise und Möwengeschrei. Lettland ist das Mittlere, der drei baltischen Ostseeanrainer-Länder. Estland mit Tallinn, Lettland mit Riga und Litauen mit Vilnius als Hauptstadt werden häufig ohne bestimmte Absicht, als ein Ganzes betrachtet, weil die Länder relativ klein sind und neben der geographischen Nähe einen Teil ihrer jüngsten Geschichte und Küchentraditionen teilen, meint Simon Bajada, der zwar Australien geboren worden ist, aber schon lange mit seiner Familie – mehr oder weniger um die Ecke – in Stockholm lebt.

#hanseatisches Erbe – oder die Spuren einer großen Zeit

# Europas Jugendstil-Hochburg

Jetzt schauen wir uns erstmal in der ehemaligen Hansestadt Riga um: einige Häuser erinnern noch heute an die mittelalterliche Macht, aber als die Stadt wuchs, wurde munter abgerissen und neu gebaut. Besonders um die Jahrhundertwende und deshalb gehört zu Riga ebenfalls ganz viel Jugendstil Die Altstadt ist nur rund einen Quadratkilometer groß, beeindruckt  aber mit einem Querschnitt durch die Geschichte des europäischen Jugendstils, wie man ihn in dieser Geschlossenheit in Europas nirgendwo findet. Und genau deshalb hat es die Altstadt Rigas auf die Liste der UNESCO Weltkulturerbe geschafft. 

Im Bauch von Riga …..

Nun habt ihr Euch schon ein wenig umgeschaut, jetzt soll das Baltikum kulinarisch erkundet werden und wo könnte man das besser als im Bauch Rigas tun. Es handelt sich dabei um den Zentralmarkt, der das kulinarische Herz der Stadt ist. Hier laufen alle Fäden zusammen, das riesige  Gelände mit  verschiedenen Markthallen erstreckt sich insgesamt über ein 72.000 m² großes Gelände, das mitten in der Stadt liegt und wo gefühlt jeder Einwohner oder Tourist mehrfach am Tag vorbei kommt. Vergesst Italien, vergesst Sizilien, vergesst Palermo es geht noch besser, größer und es duftet vor allem so gut: ein bisschen nach Wald, Feldern, Meer, Flüssen und Seen, nach Gärten und Bauernhöfen. Hat man eben noch die frischen Steinpilze und getrockneten Pfifferlinge in der Nase, so sind es in der nächsten Halle wilder Thymian oder süßer Waldmeister, frische Erdbeeren, würziger Lindenblütenhonig und Wacholderbeeren, bevor der Duft von Dill in unsere Nase zieht. Die seelige Vorfreude, die Foodies befällt wenn wir von einem Stand mit Eingelegtem zum nächsten wandern ist bei uns und unserer Begleitung ansteckend.Wir probieren uns in der Halle der Milch & Käse-Händler durch all die verschiedenen Rauchkäse-Sorten und geraten in der Fischhalle und derem vielfältigen Angebot vollends in Verzückung. Mist warum sind wir denn bloß im Hotel abgestiegen, so darf leider nur der leckere Räucherfisch fürs Ostsee-Picknick mit. Wenn wir alle wieder unbesorgt unterwegs sein können, geht es für mich unbedingt noch mal ins Baltikum, nochmal nach Riga, aber dann nur in ein Apartment mit gut ausgestatteter Küche, sonst leidet man als produktverliebte Gerne-Esserin auf diesem Markt Höllenqualen. Ich kenne wirklich niemanden von uns, der nicht mehrfach dort war.

Genussreise ins Baltikum geht zum Glück ebenfalls in der Frankfurter Küche!

Ab in die Küche, denn drei Jahre musste ich suchen, bis ich es gefunden habe, das Buch, das mir diese wunderbaren Geschmäcker wieder zurück bringt. Jetzt richte ich einfach zu Hause ein wenig baltisch an, wenn ich im Moment schon nicht hin darf.

Wer bringt mir das Baltikum kulinarisch zurück?

© Linda Bajada

Simon Bajada  ist Food- und Reisefotograf. Er lebt mit seiner schwedischen Frau und zwei Kindern in Stockholm. Neun Jahre lang arbeitete er als ausgebildeter Koch, bevor er sich auf Rezeptentwicklung, Foodstyling und Fotografie fokussierte. Mittlerweile ist die Food- und Reisefotografie nicht mehr nur ein Hobby und er hat bereits an vielen Kochbüchern mitgearbeitet.

 

 

Was ist besonders an diesem Buch?

Regionale saisonale Küche,  hier aber mit jede Menge Pfiff!

Die baltische Küche ist eine naturnahe Küche, dass was dort auf den Tisch kommt stammt aus der näheren Umgebung, früher ausschließlich, aber auch heute kommen viele Zutaten zu großen Teilen noch aus dem eigenen Garten. Vielleicht ist das der Grund, warum ich nicht wie sonst direkt nach einer Reise sofort das eine oder andere Kochbuch bestellt habe. Einen Garten habe ich nur am Wochenende, aber eigenes Gemüse wird dort nicht angebaut, sondern nur die Obstbäume gehegt und gepflegt und natürlich Rasen gemäht.  Alles was mir als Kochbuch zur baltischen Küche bislang in die Hände kam, hatte zwar das eine oder andere nette traditionelle Rezept, das mir für die heimische Küche jedoch kein spannendes Gaumenkino versprach. Und genau das ist jetzt anders geworden, denn der in Stockholm lebende Simon Bajada kann beide Seiten meiner kulinarischen Seele bedienen: Er serviert die Klassiker wie z. B. eine herrlich frisch schmeckende kalte rote Bete-Suppe stimmig und mit einem Nuancen reichen Rezept, wo er sich sehr genau überlegt hat, wie es am Ende schmecken soll und was er dafür braucht. Der Mann ist ausgebildeter Koch,  widersteht jedoch in seinem zweiten Kochbuch wieder einmal der Versuchung, es zu kompliziert zu machen. Bajada beweist Händchen – der klassische baltische Hering wird bei ihm nicht nur mit Kartoffeln serviert, sondern mit süß-nussigen Hanfsamen getoppt, der Clou sind außerdem die Heidelbeeren in der Marinade.

Seinen eingelegten Gurken gönnt er nicht nur die traditionellen Dillblüten und Johannisbeer-Blätter, sondern macht es mit den optionalen Fenchel- u. Koriandersamen geschmacklich viel spannender als bei der klassischen Vorlage. Wenn mir jemand wieder den gartenfrischen Salat meiner Kindheit – diesmal aber mit Twist auf den Tisch stellt, bin ich sowieso dabei. Mr. Badjada hat gleich drei verschiedene Optionen zur Auswahl (Blattsalat mit dillwürzigem saure Sahne-Dressing oder ein frischer Radieschen-Gurkensalat und für die 10 Minuten-Salat-Macher gibt es einen schnellen salzigen Gurkensalat).

Hakklihakaste ist das Comfort-Food des Baltikums und eigentlich nicht mehr als eine Hackfleisch-Sauce mit eingelegten Gurken, die der Koch aus Stockholm fein abgeschmeckt mit Muskat, Dill und saurer Sahne zu Tisch bringt und versteht es außerdem mit den eingelegten roten Beeten einen weiteren Farbtupfer dazu zu setzen.

Beim Gebäck reizt mich sein Monstriezel, dem er mit getrockneten Cranbeerys und einem Orangen-Puderzucker-Guss ein Update verpasst hat. Außerdem spricht mich sein modernisiertes Rezept für einen Grieß-Pudding mit Kardamom und Orange sehr an.

Sich gleich richtig für die ganze Region Zeit nehmen….

Simon Bajada macht das was ich nicht gemacht habe, aber viele Sommerurlauber genauso machen, er begnügt sich nicht mit einem Land, er nimmt alle drei baltischen Länder kulinarisch unter die Lupe und kennzeichnete alle Rezepte entsprechend. Damit wir es nicht nur spannender, sondern die kulinarischen Gemeinsamkeiten werden sichtbar. Dass er sich entschieden hat,  eigene Kreationen beizusteuern, lockert das anderswo oft sehr traditionell dargestellte Setting entsprechend auf und macht noch mal mehr Lust auf baltische Geschmäcker (Milchreis mit Heidelbeeren und Haselnüssen, Sprotten-Kräuter-Omelett oder Lamm mit Bier und Honig). Der Profi versteht es zudem ausgewählt, der tradierten baltischen Küche mit Rezepten wie in Bier gebeiztem Lachs mit Mohn-Pfannkuchen oder Grünkohl-Salat mit Heringskuchen und gebeitztem Eigelb einen Hauch Eleganz zu verleihen. Der Australier hält diese Auswahl jedoch sehr klein und das zeigt wie gut er uns als seine Nachkocher kennt.

Probiert & Verputzt:

Geröstete Karottensuppe mit Räucherkäse und Roggenbröseln

© Hardie Grant Books 2019, Text & Fotos: Simon Bajada, f.d.dt. Ausgabe Dorling Kindersley Verlag

Karottensuppe in leckerer modernisierter Version, das macht Spaß und schmeckt sehr fein. So kann eine schlichte Alltagssuppe einen gekonnten Auftritt hinlegen, der uns sehr gut gefallen hat.

 

 

 

 

 

Piroggen

Zugeben es macht ein wenig Arbeit, bis diese kleinen Köstlichkeiten auf dem Tisch  stehen, es lohnt sich aber unbedingt. Ein wenig Kardamom sorgt für ein klitzeklein bisschen Überraschung, die uns gut gefallen hat!

 

 

 

Kohlrouladen mit einer Füllung aus Schweinefleisch und Preiselbeeren

© Hardie Grant Books 2019, Text & Fotos: Simon Bajada, f.d.dt. Ausgabe Dorling Kindersley Verlag

 

 

Ich liebe Kohlrouladen, sorry Mutti aber diese sind tatsächlich noch ein klein wenig besser als Deine! Aber nur wegen des  raffiniert verstecktem „Dopings“ mit Fenchelsamen und getrockneten Preiselbeeren. Definitiv ein neues Keeper-Rezept für mein Lieblings-Gericht!

 

 

 

Fazit: Baltische Küche, die nicht nur mit saisonalen Produkten überzeugt, sondern viel Twist mitbringt!

Ich wollte direkt nach meiner Reise in 2017 ein baltisches Kochbuch kaufen, warum ich es nicht gemacht habe, habe ich erst verstanden, als mir dieses in die Finger kam, es lag nicht an den fehlenden Fotos, da bin ich nicht so anspruchsvoll wenn die Rezepte klasse sind, aber bei allen anderen baltischen Kochbüchern hat mir ein bisschen Modernität und der Twist gefehlt! Traditionelle Küche esse ich vor Ort wahnsinnig gerne, eigentlich schaffen es solche Rezepte jedoch kaum mehr als einmal, dass sie von mir nach einer Reise nach gekocht werden. Beim ersten Mal zeigt man den Gästen am Tisch noch die Urlaubs-Fotos, beim zweiten Mal erwarten sie und wir vom „Hauptdarsteller“ des Abends mehr. Dieses mehr ist etwas was ich als Raffinesse bezeichnen würde, die einer eher bäuerlichen Küche in 2020 sehr gut steht.

Mit Simon Bajada ist ein großartiger kulinarischer Ausflug ins Baltikum möglich, der sogar unter Reisebeschränkungen funktioniert. Ich freue mich schon auf meinen nächsten Besuch im Baltikum, den ich hoffentlich bald unbeschwert planen und genießen kann. Jedoch muss es beim baltischen Revial für mich unbedingt in eine gut ausgestattete Wohnung in Riga (da gibt es schon ganz nette und vor allem sehr geschmackvolle Sachen) gehen und natürlich mit diesem Kochbuch im Gepäck und dann gehe ich nach der Ankunft auf dem Flughafen direkt auf den Zentralmarkt in Riga shoppen und werde mir so gut wie keine Grenzen auferlegen….