Sara Shawkat: Noomi
Eine inspirierende Reise durch die Küche des Iraks
Fotos: Elza Jo Tratlehner
Preis: 25,– €
Wer ist die Autorin?
Sara Shawkat wurde in Bagdad geboren. Sie schloss ihren Master of Science in Sozialer Psychologie ab, veranstaltet kulinarische Events und arbeitet als Food-Editorin. Heute lebt sie in Amsterdam. Im Laufe ihrer Suche danach, was Irakisch sein für Sie bedeutet, wurde Sara bewusst, wie wichtig ihr die Küche ihres Heimatlandes ist. Mit der irakischen Kultur hat sie öfter gehadert, auf die irakische Küche ist sie jedoch immer stolz gewesen.
„Ich habe mich immer mit Essen beschäftigt, kochte aber im Grunde kaum irakisch. Lange war ich der Meinung, alles, was ich zubereiten würde, wäre doch nur ein schwacher Abklatsch dessen, was meine Mutter auf den Tisch stellt. Für mich bedeutete irakisches Essen einfach Zuhause, nicht etwas, das ich mit nicht arabischen Menschen teilen konnte“. – Sara Shawkat
Typisch irakisch!
Saras Schwester Noor sah sich spätestens mit der Anerkennung der Amsterdamer Food-Szene für das Erfrischungs-Getränk Noomi Basra, dass diese eigens für die Community kreierte und eifrig mit ihrem Lasten-Fahrrad durch Amsterdam karrte, darin bestätigt, dass es in der Küche ihres Heimatlandes noch viele Schätze zu entdecken gibt! Noomi ist übrigens eine sonnengetrocknete Limette, die in der irakischen Küche eine große Rolle spielt und nach ihrer Überfahrt von Indien in Basra der irakischen Hafenstadt an Land geht. Die Gemeinsamkeiten zwischen persischer und irakischer Küche werden damit deutlich sichtbar, während der kurdisch dominierte Norden mit seinen Spezialitäten stark an die syrische Küche erinnert.
Was ist drin?
Klassik und Moderne Hand in Hand
Shawkat legt bei ihrer Einladung an die irakische Tafel viel Wert, auf die nötige Sorgfalt und die Liebe zum Detail, die jede tradierte Küche benötigt und spart nicht mit einer guten Warenkunde und vielen Einkaufs-Tipps. Die Sortierung der Rezepte folgt den irakischen Vorlieben. Zum Frühstück gibt es bspw. eingelegte Joghurtbällchen mit getrockneter Limette u. Za’atar, es werden Eintöpfe & Suppen gekocht, die sehr gut vegetarisch können (Granatapfel-Walnuss-Eintopf), es gibt einen typischen Dillreis mit dicken Bohnen, Süßspeisen (Grießkekse), Getränke (Hibiskus-Eistee, Kurkuma-Rosen-Limonade) und die allseits beliebten Klassiker (Kibbeh) der arabischen Welt, die sich im Irak häufig mit einer eigenen Nuance etabliert haben. Außerdem gibt es leckere Dips und Cremes zum Brot (Za’atar-Fladenbrotchips). Angenehm ist, dass wir dabei von Sara Shawkat lernen können, was den Irakern bei allen Speisen, wirklich wichtig ist. Würzmischungen (Baharat – ein Gewürz-Pulver bestehend aus sieben Gewürzen) u. -soßen (Amba – eine vollmundige Mango-Bockshornklee-Sauce) runden ein Angebot ab, dies schon andeutet, Klassik und Moderne reichen sich in diesem Kochbuch für uns einvernehmlich und gekonnt die Hand (Pilz-Schwarma).
Heimat ja, aber Klischees no way!
Das Noomi-Kochbuch widersteht geschickt der Heimat-Romantik-Falle, in die viele Kochbuch-Autoren nur zu gerne tappen und zeigt stattdessen gerne und häufig zwei junge moderne Frauen, die ihre irakische Küche möglichst so zu uns nach Hause bringen wollen, wie die beiden Wahl-Niederländerinnen diese selbst zu Hause erlebt haben: vielfaltig, üppig und perfektionistisch. Die Autorin hat dabei den Schalk im Nacken und rät in ihrem Schnellkurs in Sachen „vorlaut auf irakisch“: Schwiegermüttern und anderen anerkannten Köchinnen im Familienverbund einfach mal „Tabuka“ zu entgegen, wenn die Sprache auf ihre Kibbeh (Klöße aus Bulgur, die mit Hackfleisch und Zwiebeln durch den Fleischwolf gedreht werden) kommt und dann bitte nicht wundern, wenn sich die Damen pikiert und erbost abwenden, es heißt nämlich übersetzt Ziegelstein. Der Ton, der in diesem Länderkochbuch angeschlagen wird, ist erfrischend normal und häufig mit einem gekonnten Augenzwinkern.
Der Apfel, der Stamm – was sie verbindet und unterscheidet……
Zum Klassiker Biryani, der in Asien und dem Nahen Osten gleichermaßen beliebt ist, pflegte die Autorin viele Jahre eine Hassliebe, ihre Mutter und deren Freundinnen hatten es ihr durch deren Biryani‑Overkill gehörig vermiest. Jedes Mal, wenn ein Geburtstag anstand, kam das aufwändige Gericht auf den Wunschzettel. Mutter Shawkat war dann verrückt genug, sich einen ganzen Nachmittag dafür in die Küche zu stellen, statt einfach ein schönes Duschgel als Geschenk zu besorgen. Das überschwängliche Lob unter Beschenkten und Gästen, dass sich regelmäßig einstellte, bestärkte die Mutter jedoch in ihrem Engagement. Vielleicht ist diese Ambivalenz, die es überall zwischen Müttern und Töchtern gibt, genau der Grund, warum Saras Version als vegetarische Version auftritt und sich einfach veganisieren lässt, wenn man die Eier weglässt, ohne dass daraus nur eine abgespeckte Version wird.
Praxis-Check und good to know:
Maqluba ist in vielen arabischen Ländern traditionell verankert, man findet ihn auf dem gesamten arabischen Kontinent – entweder mit Fleisch oder wie hier als vegetarische Variante. Das traditionelle Gericht war schon immer One-Pot auf Arabisch, primär aus Geschmacksgründen und nicht weil es schnell gehen soll. P.S.: schwarze getrocknete Limetten findet Ihr in persischen Geschäften, sie haben eine würzige, leicht bittere Zitrusnote, die in dieser Zubereitung für mehr Spannung sorgt, beim Pfeffer reichen 1 – 1 ½ TL für unseren Geschmack völlig aus. Die Auberginen in Salzwasser einzulegen ist ein guter Trick, damit sie Wasser verlieren und weniger Fett aufnehmen, so werden diese beim Garen zudem weicher. Das Salz soll außerdem Bitterstoffe aus dem Früchten ziehen, heutige Züchtungen sind jedoch kaum noch bitter.
Merijn Tols Labneh
Ein Labaneh der Extra-Klasse optisch und geschmacklich durch die würzige Amba-Sauce u. weitere schöne Details. Die Mühe, die es macht lohnt sich unbedingt, eine aufgemotzte Labaneh-Version für besondere Anlässe, den die niederländische Expertin für die arabische Küche, Merijn Tol, beigesteuert hat.
Auberginen-Auflauf
Tepsi Beetinjaan, ist ein populärer irakischer Auberginen-Kartoffel-Auflauf und ein Gericht, das man pur, mit weißem Reis oder mit Fladenbrot essen kann. Es besteht aus einfachen Zutaten, was ihn allerdings so richtig lecker macht, ist, wenn das Gemüse leicht anfrittiert wird. Bei uns bekam der Airfryer den Frittier-Job, weil es so leichter und bekömmlicher funktioniert. Das Gemüse war dann jedoch bei mir durchgegart. So ließ sich die Zeit im Backofen um die Hälfte verkürzen, abgedeckt habe ich nichts mehr. Die Tomatensauce für den Gemüseauflauf wird aus Biber salçasi, einer türkische Paprikapaste hergestellt, die es in einer scharfen oder milden Variante zu kaufen gibt, der persönliche Geschmack entscheidet. Durch die Tamarindenpaste erhält die Sauce Säure u. eine interessante Tiefe. Mein Mann fand diese ein wenig überdimensioniert, für mich war die Säure OK, statt 50 g werde ich mich bei der Menge beim nächsten Mal auf 25 – 30 g einpendeln. Hinsichtlich der Zeit eine Investition, die sich aber wieder geschmacklich rentiert hat, fanden wir.
kommt ursprünglich aus dem Iran und wird gerne zum Neujahrsfest Nouruz gegessen, der Eintopf genießt ebenfalls im Irak Kultstatus. Die irakische Ash Reshteh wird allerdings zum Schluss mit einem Knoblauch-Minz-Öl statt mit Röstzwiebeln aromatisiert. Sara Shawkat liefert für mich ein handwerklich gutes traditionelles Rezept, dass mit ein paar guten Tricks für die etwas anspruchsvollere Zubereitung angereichert wurde. Man kann dafür Hülsenfrüchte aller Art verwenden, vieles ist möglich solange nur insgesamt rund 400 g Hülsenfrüchte im Topf landen. Klasisch serviert man neben dem Topping Kashk dazu, dies ist ein getrockneter Joghurt, der in etwas Wasser aufgelöst wird, man findet ihn in iranischen und irakischen Supermärkten. Wer ihn nicht ergattern kann, der kann Kashk durch ein wenig Labneh (Seite 164) oder (pflanzlichen) Joghurt ersetzen. Hier hatte die Autorin eine rein vegane Version im Sinn. Mein Kashk habe ich beim türkischen Händler bekommen und ihn schon mehrfach für arabische Gerichte verwendet. Das Joghurtpulver kann vieles auf die Schnelle veredeln und ist in seiner getrockneten Form immer verfügbar und lange haltbar. Einen weiteren Kniff habe ich ausserdem mitgenommen, die Suppe wurde mit Haferflocken gebunden.
Fazit: Sie kennt sich gut aus und kann die Perspektive mühelos nach Bedarf wechseln!
Irakische Küche war für mich bislang ein Buch mit sieben Siegeln! Dass sich dies grundlegend geändert hat, habe ich Sara Shawkat zu verdanken, die ein ehrliches und ambitioniertes Kochbuch zur Küche ihres Heimatlandes verfasst hat, das kundig einführt und viel Content mitliefert. Die Rezepte zeigen Sorgfalt und die Liebe zum Detail, für das man sich unbedingt Zeit nehmen sollte, ohne die ein gutes Kochbuch aber nicht auskommt! Mir gefällt außerdem richtig gut, dass die Autorin sowohl bei der Präsentation als auch bei den Rezepten, den Spagat zwischen Tradition und Moderne mit Humor und Augenmaß hinbekommen hat und viele Angebote für Vegetarier und Veganer macht, ohne das Klassische in der irakischen Küche unter den Tisch zu kehren.