Caroline Eden: Schwarzes Meer

Wer eine Region richtig kennenlernen will, muss mit allen Sinnen in diese eintauchen….

Caroline Eden: Schwarzes Meer

Food-Fotografie: Ola O. Smit

Reise-Fotografie: Theodore Kaye

Prestel Verlag

Preis: 30,– €

© Ola O. Smit

Caroline Eden ist Reise-Journalistin, spezialisiert auf Länder der früheren Sowjetunion.Sie steht für gut recherchierte Reiseberichte, und vor allem für Road-Trips gen Osten und das ist der Unterschied zu vielen Kochbüchern, die ebenfalls für sich den Anspruch Reisekochbuch reklamieren. Eden weiß wovon sie redet und hat ihre Reisen umfassend in den historischen Archiven nachbereitet, jede Region selbst er-reist, unterwegs er-schmeckt und all das selbst zu Hause in Edinburgh nachgekocht!

Das Schwarze Meer erblickte sie erstmals durch das staubige Fenster eines türkischen Überlandbusses im Jahr 2013. Damals reiste sie in den Sommerferien sechs Wochen querfeldein, von London bis in die georgische Hauptstadt Tiflis. Bis heute erinnert sich die schottische Journalistin, dass die erste Begegnung mit dem Schwarzen Meer nachhaltig und durchaus turbulent war. Der Bus in dem sie saß wurde in der Nähe der türkischen Stadt Samsun in einer Kurve kräftig durchgeschüttelt. Die Erfahrung eines Beinahe-Unfalls und der erste Blick durch ein schmieriges Busfenster auf die die gleichmäßigen blaugrauen Wellen des Schwarzen Meeres waren auch nach ihrer Rückkehr nach Hause überaus präsent.

Schwarz-Meer-Obsession

Und entwickelte sich regelrecht zur Schwarzmeer-Obsession, die sie zunächst in die Bibliotheken zum Quellen-Studium und danach wieder auf Reisen nach Istanbul und Odessa trieben. Von denen sie vollgesogen mit Eindrücken und vor allem vollgepackt mit Fragen zurückkehrte. Wie kamen die Geschichtsbücher darauf, dass das Schwarzes Meer beides sei, „Geburtsort der Barbarei und das Meer, das Fremde willkommen heißt“? Was verbindet die Siedlungen und Städte an den Küsten des Schwarzen Meeres heute? Was gibt es dort alles noch zu entdecken – und was verraten uns die kulinarischen Traditionen über die Geschichte, die Menschen und die Landschaften des Schwarzen Meeres.

Was ist drin?

Von Odessa über Rumänien, Bulgarien, Istanbul, an die türkische Schwarzmeerküste bis nach Trabzon

 Für dieses Buch dachte sie zuerst daran, die gesamt Schwarzmeer-Küste zu umrunden. Aber am Ende fühlte es sich für Carolin Eden besser an, die Reise mit zwei der interessantesten und poetischen Städte am Schwarzen Meer einzurahmen. Ihre Reise beginnt in Odessa und endete in Trabzon. Das junge Odessa (gegründet 1794 von einem aus Neapel stammenden russischen Offizier) ist nicht nur nach wie vor ein bedeutender Grenzhafen, sondern heute ebenso wie zu Sowjetzeiten ein wichtiger Player im Getreidehandel. Alexander Puschkin war dort im Exil. Anton Tschechow schleckte besonders gern von den hier ansässigen Italienern hergestelltes Eis und Vladimir Jabotinsky, der Begründer des revisionistischen Zionismus naschte dort Lokum (Turkish delight), während er einen Master-Plan für Israel ausheckte.

© Theodore Kaye

Mit der schottischen Journalistin geht es in Odessa erst mal auf den Privoz Markt, einem der größten Lebensmittel-Basare der ehemaligen Sowjetunion um Adjika (scharfe rote Würzpaste, die in der Region Abchasien wie Salz verwendet wird) zu kosten. Bevor diese Mittags in eines der zahlreichen Cafés einkehrt, in dem eine jüdische Hühnerbrühe mit Streichholz-Nudeln (Seite 17) von ukrainischen Kellerinnen serviert wird. Vorschmack der aschkenasische Heringsaufstrich (Seite 29) geht ebenfalls auf das jüdische Erbe Odessas zurück. Dass Odessas erste Gastronomen Italiener waren belegen Polpette á la Italyanskaya (Seite 52).

An der rumänischen Schwarzmeerküste in Constanta serviert man Eden Casiono-Kartoffeln (Seite 75) stilecht mit Kaviar und aus Bulgarien hat sie die Rezept-Idee für eine Paprika-Paste (Spätsommer-Ljutencia, Seite 109) mitgebracht.

© Theodore Kaye

Wohlhabende russische Emigranten gründeten einst die Bar im Pera Palace Hotel in Istanbul. Nessie Behar steht heute dort hinter dem Tresen und steuerte netterweise ein Rezept für einen Minz-Cocktail (Seite 156) bei, der ein bisschen an das beliebte englische Minz-Konfekt erinnert.

In der Schwarzmeer-Region der Türkei wachsen mindestens 1 Dutzend verschiedene Kastanien-Sorten, jährlich und werden davon mehrere tausende Tonnen geerntet, die die Autorin zu einem Rezept für einen Pilaw mit Maronen (Seite 185) und Salbei inspirierten.

In der Grenzstadt Trabzon mit seinem Jahrtausende altem byzantinischem Erbe geht die Reise ums Schwarze Meer für die Autorin schließlich zu Ende. Hier lässt sie uns Feldfront-Pilaw (Seite 227) probieren, dass dem Reisgericht aus einem beliebten Lokal nachempfunden wurde. Zum Schluss dürfen wir noch eine Bébé-Torte (Napoleon Torte, Seite 252) kosten, deren Zubereitung die türkischen Einwanderer aus Trabzon von denen damals auf der Krim ansässigen hoch qualifizierten französischen und österreichischen Bäckern erlernten, die in den 1830er Jahren dort ansässig waren.

Gegessen & Entdeckt:

Schwarzmeer-Börek

© Ola O. Smit

Würzig, cremig, aromatisch = einfach eine tolle Kombination! P.S. Schwarzkümmelsamen ist geschmacklich nicht vergleichbar mit dem als Alternative angebotenen Schwarzen Sesam.

 

 

 

 

Bulgursalat mit Trauben

© Ola O. Smit

Schlicht, frisch, toll die Verbindung aus süßen Trauben, pfeffrig-scharfem Pul Biber, würzigen Walnüssen mit leicht bitterer Note, bilden einen schönen Kontrast zum geschmacklich unaufälligem Bulgur!

 

 

 

 

Vorschmack auf knackige Art

© Ola O. Smit

Eine schöne Überraschung! Um ehrlich zu sein, habe ich bisher um Hering und ebenfalls die aschkenasischen Klassiker der jüdischen Küche einen großen Bogen (waren mir immer zu fett und kulinarisch ohne Pfiff) gemacht. In dieser Kombination mit dem knackig frischen Apfel, der leichten Schärfe durch die Radieschen und dem mild-cremigen Ei konnte auch ich diesem Klassiker etwas abgewinnen – Dank an die Autorin, dass sie es sich hat nicht nehmen lassen, die Rezepte selbst zu entwickeln.

 

Caroline Eden ist von Haus aus lieber Vegetarierin, ihre Rezepte für Fleisch sind wenig in der Anzahl und sicherlich der kulinarischen Vollständigkeit geschuldet. Ein Feld-Front Pilaw aus Trabzon konnte uns nicht überzeugen, dafür war es einfach zu langweilig, genauso ging es uns mit Rollwagen-Kebab aus der türkischen Schwarzmeer-Region.

Fazit: Kontext, das ist der Unterschied, wenn Du eine Region wirklich kennenlernen und erschmecken willst!

 Caroline Edens Liebe zur Schwarzmeerküste spricht aus jedem Beitrag, aus jeder Geschichte und aus den vielen, vielen Hintergrundinformationen. Sich einer solchen Einladung ans Schwarze Meer zu entziehen ist eigentlich nicht möglich! Besonders, wenn es dann noch so lecker aus der Küche duftet…

40 Rezepte hat die Schottin dazu von ihren vielen Verkostungen nach Hause mitgebracht und vor Ort zu Hause in Edinburgh getestet und vor allem so weiter entwickelt, das dass das auch bei uns gelingt.

Multi-sensorisch nennt sie das, wenn sich Rezepte, historischer Kontext und sehr persönliche Reiseeindrücke zu einer Einheit verweben, die so viel mehr als seine Einzelteile ist und zum Weiterlesen und weiter Genießen einladen.

Eden selbst wünscht sich gleich zu Beginn ihres schönen wohltuend anderem Reise- und Erlebnis-Kochbuches, dass man es sich mit ihrem Buch über das Schwarze Meer auf dem Sofa gemütlich macht. Sie hat so Recht! Wer es als reines Rezeptbuch versteht, wird viel weniger Spaß mit ihm haben. Die Texte der Journalistin sind so lebendig und vielschichtig, dass man besonders in Odessa, Istanbul und Trabzon, die intensivsten Berichte dieses Buches, das Gefühl hat, man ist selbst bei dieser Reise über Grenzen und Länder dabei. Die Gemeinsamkeiten in dieser vielumkämpften Region sind  nicht zufällig und werden von Frau Eden historisch belegt.

Schwarzes Meer ist ein wunderschönes (blau gefärbter Buchschnitt und geschmackvoll geprägter Einband) und handliches Reise- Kochbuch geworden, dass mit beeindruckender Literatur-Liste zu einem weiterführenden Studium einlädt und die gleichzeitig zeigt, wie tief hier eine Autorin in eine Region eingetaucht ist. Und das ist auch gut so, man hat einfach mehr davon – und begreift die Rezepte als mehr als nur Zutatenlisten!

Herzlichen Dank für die Übersendung als Rezensionsexemplar!